Verlorene Eier
Abenteuerurlaub gemacht. Wovon sprichst du überhaupt?«
»Und was ist mit diesen drei russischen Diplomaten und der Operation, bei der sich alle warm anziehen dürfen?«
»Das? Das war eine Riesensauerei beim Handel mit Heringen.«
»Du bist also gar kein Top-Spion?«
»Ein Top-Spion? Geht’s dir noch gut, Bill?«
»Keith, ich bin völlig durcheinander. Wie komme ich darauf, dass du beim Geheimdienst arbeitest?«
»Keine Ahnung, sag du es mir, Kumpel.«
»Ich hab’s von deiner Mutter! Ich könnte schwören, dass sie gesagt hast, deine Arbeit sei eine höchst delikate Angelegenheit.«
»Das ist sie auch. Die Leute sind extrem empfindlich bei allem, was Fisch angeht.«
Dünne weiße Schleierwolken ziehen am Mond vorbei. Ich spüre, wie mir die Tränen in die Augen treten.
»Rufst du mich von zu Hause aus an?«
»Ja.«
»Und ist deine … deine Freundin bei dir?«
»Ja, sie ist hier. Und hat fürchterliche Angst vor Philly Paintbrush. Keith, sie kennt mich nur als Angela.«
»Oh, du bist also en femme .«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Das ist es immer, mein Freund. Immer. Gib mir die Adresse.«
»Kommst du her?«
»Um einem alten Kumpel zu helfen? Naturellement .«
»Aber wenn du kein Spion bist …«
»Gibt es vielleicht eine fischbezogene Lösung. Du würdest staunen, wie oft so etwas vorkommt.«
Nachdem wir aufgelegt haben, bleibe ich noch eine Weile am Zaun stehen und blicke bewundernd auf die dunkle Landschaft hinaus. Irgendwo in der Ferne muht ein Rind. Über uns, Millionen von Kilometern entfernt, schwebt der Mond. Wenn Amber, Arthur und ich uns heute in den Mercedes setzen und losfahren würden, bräuchten wir mehr als sechs Monate, bis wir dort wären.
Der Mond. Das Feld. Die Rinder im Nebel. Ein Mann in Frauenkleidern am Zaun.
Was ist falsch an diesem Bild?
15
Beim Zubettgehen kommt es mir: Das ist ein Trick. Natürlich würde ein Spion niemals zugeben, dass er ein Spion ist. Und schon gar nicht am Telefon. Deshalb ist es also durchaus möglich, dass Keith doch dieser Tätigkeit nachgeht, genauso wie ich dachte.
Im Haus ist es still. Ich schleiche in mein Zimmer und klemme für alle Fälle den Stuhl unter die Türklinke, bevor ich mich sämtlicher weiblicher Attribute entledige, bis auf das Make-up.
Doch dann stelle ich fest, dass ich etwas vergessen habe.
Pfeif drauf. In einer Geschichte, in der alle Beteiligten so viele Dinge zum ersten Mal tun, kommt es auf ein weiteres nicht mehr an. Ich trete ans Fenster und pinkle hinaus.
16
Ich lasse die Vorhänge mit Absicht offen, damit mich die Sonne am nächsten Tag weckt. Draußen auf der Weide lösen sich die Jungs allmählich aus dem morgendlichen Dunst. Ich setze die Perücke auf und betaste mein Gesicht. Stoppeln. Eindeutig. Ich werfe mir einen alten Trenchcoat über und gehe auf Zehenspitzen ins Badezimmer.
Arthur sitzt mit heruntergelassener Hose auf der Toilette und spielt mit irgendeinem Ding herum, aus dem blecherne, von lauter Musik untermalte Schussgeräusche dringen. Seine Augen heften sich auf mein Gesicht, ehe sie abwärtswandern, über meine behaarten Beine und meine katastrophalen Fußnägel. Der Kleine ist sieben Jahre alt. Weiß er, wie eine ältere Frau untenherum aussieht?
»Brauchst du noch lange, Arthur, mein Lieber?«
Er mustert mich mit unverhohlener Verachtung.
»Bist du … äh … bald fertig?«
Statt einer Antwort wendet er sich wieder seinem Spielzeug zu.
»Arthur, ich habe dich ganz freundlich gefragt …«
»Ich sitze jetzt auf dem Klo. Vergessen Sie’s.«
In der Kriegsführung ist, ebenso wie in so vielen anderen Lebensbereichen, Überraschung alles. Zumindest habe ich das gelesen. In einer fließenden Bewegung packe ich ihn mit einer Hand am Kragen, hebe ihn hoch und verfrachte ihn vom Toilettensitz geradewegs auf den Treppenabsatz, wo der kleine Satansbraten Mühe hat, nicht über die eigenen Füße zu fallen. »Heee«, blafft er.
»Du bist Gast in meinem Haus, mein Lieber«, zische ich zuckersüß. »Also versuch bitte, dich auch wie einer zu benehmen.«
Der schockierte Ausdruck auf seinem Gesicht, als ich ihm die Tür vor der Nase zuschlage, reiht sich neben den anderen Fotos im Album meiner unvergesslichen Erinnerungen ein.
17
Ich brauche eine gute halbe Stunde, um das Make-up zu entfernen, mich zu rasieren, neues Make-up aufzutragen und mich in meine Montur zu werfen. Am Ende werfe ich einen prüfenden Blick in den Spiegel.
Also bringst du die Sachen doch nicht zur
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