Verlorene Eier
Phillys Augen auf. Ich frage mich, ob er unter dem Einfluss starker Medikamente oder sonst etwas steht.
»Und Sie sind …?«, erkundigt er sich mit öliger Stimme.
»Ich? Nun, ich bin Angela Huxtable«, antworte ich, viel zu fasziniert von der Tatsache, dass Philly Paintbrush leibhaftig vor mir steht, um mir Sorgen um die Dinge zu machen, um die ich mir welche machen sollte. Wieder spüre ich es – diese eigentümliche Ruhe, die Bill Greefe garantiert nicht überkommen hätte, wenn er früher die Tür aufgemacht und zwei Gangstern gegenübergestanden hätte. Ist ruhig der richtige Ausdruck dafür? Vielleicht eher distanziert. Vielleicht hatte die alte Schachtel ja doch recht, und die Fassade ist mittlerweile längst ein Teil meines Selbst geworden. Angela scheint ein völlig anderer Mensch zu sein als ich.
»Dürfen wir?«
»Natürlich. Bitte kommen Sie herein.«
Philly bewegt sich mit wichtigtuerischer Großkotzigkeit, auch wenn seine üppige Genitalausstattung keinen normalen Gang gestattet (ein Phänomen, das zweifellos ebenfalls seine Anhängerinnen in der Damenwelt findet). Er tritt neben Amber, die Arthur fest an sich gedrückt hält.
»Siehst gut aus, Herzblatt.«
Amber ist kreidebleich geworden, und in ihren bernsteinfarbenen Augen liegt ein gequälter Ausdruck, den ich noch nie an ihr gesehen habe. Sie steht stocksteif da. Lange Zeit schauen sich die beiden wortlos an: Amber mit unübersehbarem Entsetzen, Philly mit einer Art grausamer Launenhaftigkeit.
»Und? Hast du mir gar nichts zu sagen?«
Wieder herrscht Stille, während Amber hilflos dasteht. Reflexartig trete ich einen Schritt auf sie zu.
»Wie wär’s mit: Meine Güte, Philly, wie schön, dich endlich wiederzusehen ? Nein, nicht gut? Dann eben: Wo warst du so lange, mein Schatz? Du hast mir gefehlt . Na, wie klingt das?«
Ambers Hand zittert, als sie sie nach mir ausstreckt. Ich halte sie zwischen meinen Fingern und streiche mit einer Ruhe über ihren Handrücken, die ich definitiv nicht empfinde.
»Hey, jetzt hab ich’s. Tut mir leid, dass ich dir die Wanze untergejubelt und all die Dinge im Gerichtssaal gesagt habe und so . Ist das besser?«
Er starrt sie finster an, und ihre Finger schließen sich noch fester um meine Hand. Doch dann lächelt er.
»Entspann dich, Herzblatt. Ich verarsch dich bloß. Ich weiß ja, wie so was läuft. Die Typen vom FBI hatten dich am Arsch. Zum Glück gibt’s in diesem Land noch ein paar Richter, die Scheiße von Schokoladensauce unterscheiden können. Entschuldigen Sie bitte meine Ausdrucksweise, Ma’am«, fügt er mit einem Blick in meine Richtung hinzu. »Aber ich hatte während meiner Zeit im Knast richtig üble Gesellschaft.«
Ich winke ab.
»Aber egal. Jetzt können wir ja dafür sorgen, dass alles wieder gut wird, stimmt’s, Herzblatt? Aber hey, wie sieht’s denn mit dir aus, kleiner Mann?« Philly tritt einen Schritt zurück, um Arthur anschauen zu können. »Der Kleine kennt sich aus mit Waffen und Munition, was?«
»Lass ihn in Ruhe, Philly«, sagt Amber – ihre ersten Worte, seit er aufgetaucht ist.
»Ich unterhalte mich doch nur mit dem jungen Mann hier. He, Kumpel. Kannst du denn sehen, ob Mr Skinners Uzi echt oder ein Fake ist?«
»Klar«, antwortet der Knirps, wenn auch mit leicht brüchiger Stimme.
»Im Notfall könntest du das Ding auch noch auseinandernehmen, habe ich recht? Und wie sieht’s hiermit aus?«
Philly schlägt seine schwarze Lederjacke zurück, so dass eine Waffe im Hosenbund zum Vorschein kommt.
»Sig Sauer«, sagt Arthur. »P220 oder 220 Equinox.«
»Sehr gut. Wie heißt du, mein Sohn?«
»Arthur.«
Philly geht auf die Knie, um auf Augenhöhe mit dem Knirps zu sein. Aus dieser Perspektive erhasche ich einen Blick auf die kahlen Stellen an seinem Hinterkopf. Ein tiefes Gefühl der Befriedigung durchströmt mich.
»Arturo. Stört’s dich, wenn ich dich so nenne?« Der Knirps zuckt die Achseln. »Artie, du und ich werden eine Menge Spaß zusammen haben. Weißt du denn, wer ich bin?«
Von seiner Bockigkeit von vorhin ist nichts mehr zu sehen. Stattdessen ist er lammfromm. Er schüttelt den Kopf.
Philly schluckt. »Ich bin dein Dad.«
Skeptisch lässt Arthur seinen Blick an dem hochgewachsenen Mann nach oben und wieder herunter wandern. Ich bemerke, dass Philly Cowboystiefel mit metallbesetzten Spitzen trägt.
»Mein Vater ist tot.«
»Das hat sie dir also erzählt, was?« Er richtet sich mit gequälter Miene auf. »Wieso erzählst du ihm so
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