Verlorene Eier
oder?«
Ich verneine. »Nun, Mr Paintbrush, würde es Ihnen sehr viel ausmachen, wenn wir ein kurzes Päuschen einlegen? Nur für zehn Minuten. Madame Nicotine fordert ihren Tribut. Sie ist mein letztes Laster«, fügt sie mit einem Zwinkern hinzu.
»Mr Skinner, los, fahr ins Dorf, und besorg ein paar Zigarillos für die Dame.«
»Das wäre zu reizend. Café Crème, falls sie die zufällig haben. Schließlich möchte ich mich ja von meiner besten Seite zeigen, wenn Sie zum Gesicht kommen.«
Spätestens jetzt gibt es keinen Zweifel mehr, dass Keith mehr als ein Angestellter im Fischereiministerium ist. Als Mr Skinner sich auf den Weg macht und Philly sich wieder voll und ganz der fortschreitenden Katastrophe auf der Leinwand widmet, wirft mir mein einstiger Klassenkamerad einen stählernen Blick zu, ehe er zum Kaminsims hinübersieht. Ich weiß auf der Stelle, was er vorhat.
»Kiki, meine Liebe, hast du eigentlich je wieder von Hattie Partington gehört? Ich habe mich immer gefragt, was aus ihr geworden sein mag. War sie nicht völlig verrückt nach Chips?«
»Allerdings, Herzchen. Sie war regelrecht süchtig nach denen mit Salz und Zwiebeln.«
Wir reden hier nicht von Hattie – sondern von Fatty. Und Fatty Partington liebte seine Chips. Nur durfte ihn keiner beim Essen stören. Was Grund genug für uns war, es regelmäßig zu tun. Eine besonders hinterlistige Aktion, denen Langweiler, Streber und Fettsäcke regelmäßig auf dem Freigelände der King-William-Knabenschule ausgesetzt waren, erforderte ein Team aus zwei Störenfrieden. Störenfried eins näherte sich dem Opfer unbemerkt und ging hinter ihm in die Knie. Störenfried zwei schlenderte unauffällig vorbei und verpasste ihm einen leichten Schubser, worauf das arme Opfer ins Taumeln geriet und hinterrücks über Störenfried eins stolperte, wobei, zumindest in Fatty Partingtons Fall, nicht nur der Inhalt seiner Chipstüte, sondern auch seine Würde erbarmungslos zerstört wurde.
Der Plan sieht folgendermaßen aus: Wenn ich mich hinter den völlig in seine Arbeit vertieften Philly knie, kann Kiki vom Stuhl aufspringen und sich mit zwei Schritten auf ihn stürzen. Liegt er erst einmal am Boden, kommt Phase zwei: Ich schlage ihm mit dem Buddha auf den Kopf, während Kiki sich die Waffe unter den Nagel reißt. Ein Kinderspiel, wenn man jemanden so lange kennt, dass man sich ohne ein Wort versteht. Einen Moment lang habe ich das Bild von uns beiden als erfolgreiches Transen-Pärchen auf Verbrecherjagd vor Augen.
Amber sieht mich verängstigt an und schüttelt den Kopf. Sie hat mitbekommen, dass irgendetwas vor sich geht. »Vertrau mir«, sage ich kaum hörbar.
Ich schlendere zum Kamin und tue so, als würde ich einige Gegenstände auf dem Sims gerade rücken. Daphne ist wieder eingeschlafen (sehr gut). Kiki strahlt Philly an, dann wirft sie mir einen kurzen Seitenblick zu, kneift für den Bruchteil einer Sekunde die Augen zusammen und nickt kaum merklich. Ich nehme den Buddha vom Sims und beginne, wie ich hoffe, ganz entspannt zu summen.
»Mr Pascocello«, ergreift Kiki das Wort, »ich muss Ihnen unbedingt erzählen, wie ich Königin Beatrix der Niederlande kennengelernt habe. Wir sind uns zufällig bei Harvey Nichols in die Arme gelaufen. Ich war gerade dort, um mir die neue Herbstkollektion anzusehen …«
Kiki blubbert vor sich hin, damit Philly meine Schritte nicht hört. Wie gut wir uns doch kennen. Ich kann nur staunen. Mit klopfendem Herzen gehe ich langsam um Philly herum, sorgsam darauf bedacht, nicht zu fest aufzutreten. Ich kann nur hoffen, dass mein Schmuck nicht klirrt. Endlich stehe ich hinter ihm, hole tief Luft und halte sie an.
»… und gerade als ich mir einen Kaschmirschal um den Hals lege, fragt mich Ihre Königliche Hoheit doch glatt, ob ich ihr helfen könne. Sie dachte, ich arbeite dort! Und da ich sie natürlich kannte – ich meine, diese Frau kennt schließlich jeder; immerhin ist sie die Königin, die auf dem Fahrrad gefahren ist –, war es völlig normal, Ja, mit Vergnügen, meine Liebe! zu sagen.«
Vorsichtig lasse ich mich auf den Boden sinken. In diesem Augenblick endet Kikis Monolog abrupt. Beinahe so, als hätte ich sie durch irgendetwas aus dem Konzept gebracht. Das Timing ist besonders unglücklich, weil sie genau in dem Augenblick innehält, als meine Kniescheiben – diese beiden elenden Versager – mit einer übelkeiterregenden Reihe von Knacklauten den Boden berühren.
Einen Moment lang herrscht
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