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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
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um alles in der Welt haben Sie diese riesigen …«
    »Sie sind aus Gummi«, erwidert Keith mit leicht gelangweilter Miene.
    »Ehrlich? Aber man sieht keinerlei …«
    »Sie sind am Hals befestigt.«
    »Aber Sie wirken so …«
    »Jahrelange Übung.«
    »Das ist ja ein Ding! Ali wäre begeistert gewesen. Er ist der verstorbene Earl. Ich war mit ihm in Oxford. Vor dem Krieg. Damals hatte er eine unglaubliche Figur. Diese Fesseln. Unfassbar. Ihm standen Bleistiftröcke besser als mir.«
    Und dann bricht sie in dröhnendes Gelächter aus, das die Wände erbeben lässt, gefolgt von einem nicht enden wollenden Gackern.
    »Daphne, meine Liebe. Sie sagten doch gestern, Sie könnten ein Geheimnis bei sich behalten. Das hier ist ein Geheimnis. Ein großes.«
    »Oh, machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen. Die Grube ruft schon. Das nächste Weihnachten werde ich nicht mehr erleben. Was ihr Typen in eurer Freizeit treibt, geht mich einen feuchten Kehricht an.«
    »Mein Entschluss steht fest, Keith, ich muss ihr nachfahren.«
    Ich fühle mich irgendwie seltsam, so als wäre ich leicht verrückt. Vielleicht liegt es daran, dass ich wie Bill sprechen darf, obwohl ich Angelas Sachen trage. Irgendetwas ist anders als sonst. Es ist, als … nun ja, vielleicht habe ich ja mein Versprechen, sie zu retten, wirklich ernst gemeint.
    »Aber wie sollen wir sie finden, Kumpel? Wo sollen wir anfangen?«
    Zugegeben, das ist ein Argument. Rattengesicht könnte mit seinem BMW mit dem hässlichen Spoiler und den Rallyestreifen längst über alle Berge sein. Doch es rührt mich, dass er wir gesagt hat. Wieder erklärt er sich bereit, mir zu helfen. Eine neuerliche Woge der Zuneigung für meinen alten Klassenkameraden überkommt mich.
    Mittlerweile dämmert es, und ein unheimlicher Nebel zieht über die Torffelder.
    »Wir gehen en femme los. Das ist nicht ganz so bedrohlich. Sie, meine liebe Daphne, bleiben hier. Ich sorge dafür, dass jemand Sie abholen kommt.«
    »Vergessen Sie’s. Ich lasse mir doch ein Abenteuer mit zwei Transen und ein paar Waffen nicht entgehen! Das letzte Mal hätte ich mich ohrfeigen können. Otto Montcrieff in Tanger. Es war Gesprächsthema Nummer einsan der gesamten Riviera.«
    »Es könnte aber gefährlich werden.«
    »Gut!«
    »Wenn sie schießen …«
    »Winston Churchill, der ein Freund meines Vaters war, sagte immer, es gibt nichts Aufregenderes im Leben, als wenn jemand auf einen schießt, aber nicht trifft.«
    »Und was ist, wenn Sie getroffen werden, meine Liebe?«
    »Umso besser!«
    »Keith, wir müssen nachdenken. Philly hat etwas von Heiraten gesagt. Wo heiratet man im Allgemeinen?«
    Keith runzelt die Stirn, während ich mich in die Gedankengänge eines ziegenbärtigen amerikanischen Gangsters hineinzuversetzen versuche. Daphne bricht schließlich das Schweigen.
    »Was seid ihr nur für Dummköpfe! Wo gehen die Leute hin, wenn sie heiraten? In eine Kirche, wohin sonst?«
    8
    Als wir uns auf den Weg machen, ist der Nebel dicht wie eine Wand. Vorsichtig steuere ich den alten Mercedes über den holprigen Weg. Kiki sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz, Daphne rutscht hingegen auf dem Rücksitz hin und her. An der Stelle, wo der Weg in die Straße mündet, ist der Nebel so dicht, dass die Schilder nach Eglwys Heath und nach Oswestry kaum zu sehen sind. Zum Glück kenne ich jede einzelne dieser ländlichen Kapillaren, deren Kreuzungen kaum mehr als schmale Öffnungen in den endlosen Heckenreihen sind. Wir kriechen im zweiten Gang dahin, während die Scheinwerferkegel nur wenige Meter vor uns gegen die weiße Wand zu prallen scheinen. Die Horrorgeschichten aus dem Wobbly kommen mir wieder in den Sinn: Geschichten von Besuchern, die an einem Abend wie diesem losfuhren, sich im Gewirr aus Wegen und Pfaden verirrten und erst Wochen später gefunden wurden, tot in einer Hecke, die Augen von Krähen ausgehackt und von sonstigem Getier angenagt.
    »Bei diesem Wetter können sie nicht allzu weit gekommen sein«, sage ich.
    »Siehst du auch Gesichter?«, fragt Keith. »Ich sehe überall Gesichter. Von Geistern und Dämonen.«
    Er hat recht. Wenn man zu lange in den Nebel starrt, glaubt man tatsächlich, finstere Gestalten zu erkennen.
    »Siehst du Jesus? Der Erste, der Jesus erkennt, hat gewonnen. Scheiße!«
    Ich habe die Abzweigung zu dem Anwesen der Urquharts verpasst und muss ein Stück zurückfahren, doch nach ein paar Minuten erkenne ich den gedämpften Schein des Strahlers, der den Hof der Brüder erhellt.

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