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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
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nicht gerade begeistert, mich hier zu sehen. Auf Ambers Gesicht liegt ein resignierter Ausdruck, während der Pfarrer uns mit angstgeweiteten Augen anstarrt. Ich sehe, dass sie seine Hand hält.
    Die Orgelklänge verhallen. »So«, ruft Philly, »ich wollte schon immer die Beach Boys bei meiner Hochzeit haben. Selbst wenn ich den Song selber spielen muss.«
    »Was wollen Sie jetzt machen?«, zischt mir Daphne ins Ohr.
    »Weiß ich noch nicht«, flüstere ich.
    Philly tritt an die Balkonkante, dann steht er auf einmal auf dem Geländer, gute drei Meter über dem Boden. »Komme schon, Herzblatt.«
    Vermutlich hat er einige Erfahrung und ist von Lagerhausdächern gesprungen oder wie auch immer das Training eines Gangsters heutzutage aussehen mag. Er landet wie eine Katze punktgenau höchstens zwei oder drei Schritte neben Amber und dem Pfarrer. Die Brillanz seines Auftritts wird lediglich von der Sig Sauer getrübt, die durch den Aufprall aus seinem Hosenbund gerissen wird und klappernd genau zwischen ihm und mir auf dem Kirchenfußboden landet. Einen Moment lang begegnen sich unsere Blicke. Zwei Schritte, dann würde sie mir gehören. Doch in der Zeit, die mein Gehirn braucht, um den Gedanken zu formen, hat Philly bereits einen Satz nach vorn gemacht und sie aufgehoben. Und genau aus diesem Grund heiratet er jetzt Amber, während ich in Frauenkleidern auf der Kirchenbank sitze und zusehen muss, denke ich. Es ist ein unschöner Gedanke, aber leider mit mehr als nur einem bitteren Körnchen Wahrheit.
    Philly schiebt die Sig in seinen Hosenbund zurück. »Okay, Padre. Rock ’n’ Roll. Los geht’s.«
    Der Mund des Pfarrers öffnet und schließt sich, aber kein Laut dringt hervor.
    »Ein Schluck Wasser vielleicht? Los, Mr Skinner, besorgen Sie unserem Padre ein Glas Wasser.«
    Rattengesicht verschwindet hinter dem Altar, während die restlichen Beteiligten in der klassischen Hochzeitsaufstellung Position beziehen – Braut und Bräutigam Seite an Seite vor dem halb zu Tode verängstigten Pfarrer. Amber steht schicksalsergeben mit gesenktem Kopf da. Als der Pfarrer seine Stimme wiedergefunden hat und bereit zu sein scheint, die Zeremonie zu vollziehen, tritt Rattengesicht einen Schritt beiseite und lehnt sich lässig gegen einen der Pfeiler. Das laute metallische Klicken hallt durch das Kirchenschiff, als er aus Respekt die Sicherung seiner Uzi einrasten lässt.
    Der Pfarrer breitet die Arme aus, die Handflächen gen Himmel gerichtet, als präsentiere er dem lieben Gott eine unsichtbare Grapefruit. Sein Blick heftet sich einen Moment lang an die Dachbalken – wahrscheinlich um sich beim Herrn zu entschuldigen –, ehe er loslegt.
    »Wir haben uns heute hier versammelt, um vor Gott, dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geiste die Eheschließung von …« – er beugt sich vor und lauscht angestrengt – »… von Phillip Vincente Pascocello und Lesley Ambrosine Glatt zu vollziehen.« Er sieht das Paar um Bestätigung heischend an, ob er die Namen korrekt ausgesprochen hat. »Um ihnen Gottes Segen zu erteilen, ihre Freude zu teilen und ihre Liebe zu feiern.« Tiefer Atemzug. »Die Ehe ist ein Geschenk Gottes, ein Bund, durch den Mann und Frau vor den Augen Gottes …«
    Eine eigentümliche Ruhe hat sich über das Kirchenschiff gesenkt. Der modrige Kirchengeruch, der Anblick der im Boden eingelassenen Grabplatten, das alte Gemäuer, die zeitlosen Worte der Hochzeitspredigt fordern ihren Tribut. Wie Kinder sitzen wir mit großen Augen da, ergriffen von der Tradition und der Poesie der Worte. Allmählich läuft der Pfarrer zu Hochform auf, und in seine Stimme schleicht sich eine pikante Note, die vorhin nicht zu hören war.
    »… der Bund der Ehe vereint Mann und Frau in der Lust und Zärtlichkeit der Sexualität, im Glück und der Treue bis zum Tode …«
    Die letzten Worte sind schier unerträglich. Um mich abzulenken, öffne ich meine Handtasche und spähe hinein. Ich klappe die Puderdose auf und betrachte mein Gesicht im Spiegel.
    Was soll ich jetzt tun, verdammt noch mal?, frage ich mich stumm.
    Wieso fragst du mich, meine Liebe? Ich dachte, du wolltest mich entsorgen und meine Sachen der Wohlfahrt überlassen.
    Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber wir stecken hier mitten in einer heftigen Krise.
    Wenn eine Aufführung beendet ist, besteht kein Bedarf mehr an den Darstellern. Sie müssen von der Bühne abgehen. Waren das nicht deine Worte?
    Okay. Das war vorschnell von mir. Ich dachte

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