Verlorene Eier
könnte gut zu deinen Augen passen.«
Die Halskette ist ein absoluter Traum – unzählige in Silber gefasste Glitzersteine.
»Ich hatte schon Angst, du sagst, zu meinen Lungen. Tausend Dank, meine Liebe. Du warst eine hervorragende Lehrerin.«
Einen Moment lang herrscht verlegene Stille am Tisch.
»Und? Willst du sie denn nicht anprobieren?«
Natürlich will ich. Genau das würde eine echte Frau doch tun, oder? Offenbar muss ich noch immer sehr viel lernen.
»Sensationell«, schwärmt Kiki, als ich die Aufgabe gemeistert habe. »Wie für dich gemacht.«
Es ist absolut verrückt. Mit meinem alten Klassenkameraden aus der King-William-Knabenschule als Frau verkleidet in einem türkischen Restaurant mitten in London zu sitzen. Und dennoch fühlt es sich, vielleicht aufgrund unserer gemeinsamen Geschichte, sowohl der alten als auch der jüngeren, gar nicht so verrückt an. Und vielleicht ist das das Allerverrückteste daran.
»Also«, meint Keith schließlich, »hast du in den vergangenen Wochen irgendwelche Neigungen entdeckt?«
»Wie?«
»Neigungen, Liebes. Sind im Zuge des Besuchs der Meisterklasse irgendwelche Sehnsüchte an die Oberfläche gekommen?«
»Ich … äh … na ja …«
»Macht es dir Spaß, ein Mädchen zu sein?«
»Tja …« Ist irgendetwas an die Oberfläche gekommen? Empfinde ich Befriedigung dabei? »Ich kann nicht behaupten, dass es mir Spaß macht, nein.«
»Anders herum gefragt, wäre es dir lieber, wenn du all das nie erlebt hättest?«
»Oh nein, definitiv nicht. Auf keinen Fall!«
Die Worte sind einfach so aus meinem Mund gesprudelt.
Kiki lächelt und schaut mich liebevoll an. »Das freut mich wirklich sehr.«
Sie sieht sich im Restaurant um. Die Leute am Nebentisch haben ihre Rechnung bezahlt und sind verschwunden. »Und? Platz für ein Dessert, Kumpel?«, fragt er mit Keith-Stimme.
16
Dukes Hotel. St. James’s.
Ich habe mich mit Gerald Douglas in der Cocktailbar verabredet, um die letzten Details für die Reise zu besprechen. Gerald liebt dieses gemütliche Traditionshaus und behauptet, dort bekäme man den besten Wodka Martini auf der ganzen Welt (was bei fünfzehn Pfund das Stück auch so sein sollte).
Ich sehe ihn, sobald ich aus dem Taxi steige. Er sitzt in seinem gewohnten cremefarbenen Anzug in einem Clubsessel und liest im Schein einer Stehlampe die Abendzeitung.
»Guten Abend, Madam«, begrüßt mich einer der Italiener, die das Hotel betreiben. »Sind Sie mit jemandem verabredet?«
»Ja. Ich sehe meinen Freund schon dort drüben sitzen. Ich danke Ihnen sehr.«
» Prego .«
Gerald wirft mir einen flüchtigen Blick zu, dann widmet er sich wieder dem Standard . Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich seit Tagen diesem Augenblick entgegengefiebert habe. Ich nehme im Sessel neben ihm Platz und stibitze eine Nuss aus dem Schälchen vor ihm.
»Tut mir sehr leid«, sagt er, »aber ich erwarte jemanden.«
»Schon gut«, antworte ich und muss eilig in meiner Handtasche wühlen, um nicht in brüllendes Gelächter auszubrechen.
Nach ein paar Augenblicken des Schweigens (ich habe noch immer den Kopf in meiner Handtasche vergraben, so dass er mein Gesicht nicht sehen kann), presse ich mühsam hervor: »Sind Sie Gast hier?«
»Nein, bin ich nicht. Sie?« Ein Hauch von Genervtheit schwingt in seiner Stimme mit.
»Tja, ich schon.« Er greift nach seinem Martini-Glas. »Wir könnten auf mein Zimmer gehen, wenn Sie Lust haben«, flüstere ich.
»Wie?«
»Hätten Sie Lust, mich auf mein Zimmer zu begleiten?«
»Äh, ich glaube, hier liegt ein …«
»Kommen Sie schon, zieren Sie sich nicht so. Spendieren Sie mir einen Drink, und ich blase Ihnen einen dafür.«
Und dann hebe ich den Kopf.
Die Erinnerung an diesen Moment werde ich genauso sorgsam bewahren wie die an den kleinen Handtaschenräuber an der Paddington Station. Der Ausdruck blanken Entsetzens hinter den runden Brillengläsern in der Sekunde, bevor sich eine Fontäne aus Martini und Nusssplittern über sein Hemd und seine Streifenkrawatte ergießt. Und ich glaube, aus seinen Nasenlöchern kam auch etwas von der Mischung.
Und dann bricht er in Gelächter aus. So heftig, dass seine Schultern beben, seine Wangen unkontrolliert schwabbeln und ihm die Tränen aus den Augen schießen. »Oh, du meine Güte. Gütiger Himmel. Herrje. Tut mir leid, aber das ist das Allergrößte.« Er schüttet sich so aus vor Lachen, dass einer der Italiener vorbeikommt, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Währenddessen
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