Verlorene Eier
sitze ich genauso da, wie man es mir beigebracht hat, mit einem höflichen Lächeln auf dem Gesicht und artig auf dem Schoß verschränkten Fingern. Gerald gibt dem Italiener zu verstehen, dass er nicht vorhat, gleich das Zeitliche zu segnen.
»Entschuldigung, Alessandro. Aber meine Freundin hier hat nur etwas sehr Lustiges gesagt.« Der nächste Lachanfall folgt.
Mir ist völlig klar, dass ich in Alessandros Augen nicht gerade der Typ Frau bin, der für derart hemmungslose Heiterkeitsanfälle sorgt. Er begnügt sich damit, mir einen Wodka-Martini zu bringen, während Gerald sich mit der Serviette die Lachtränen abwischt.
»Absolut fantastisch«, japst er. »Du bist ein völlig anderer Mensch.«
»Genauso sollte es doch sein, Gerald.«
»Das wird funktionieren!«
»Es muss. Ich brauche das Geld unbedingt.«
»Bitte hör auf, mit dieser albernen Stimme zu reden«, entgegnet er. »Ich lache mich noch schlapp.«
»Ich muss in meiner Rolle bleiben, Gerald.«
Am Ende des Abends sind wir reichlich angeschickert, was jedoch eine gute Übung ist, da Angela bestimmt immer wieder in die Situation kommen wird, sich ein paar Drinks hinter die Binde kippen zu müssen. Es beruhigt mich ungemein, dass ich die Angela-Stimme selbst nach zwei der besten Martinis der Welt noch auf die Reihe kriege, während Gerald, der mit einem Drink Vorsprung ins Rennen gegangen war, allmählich schlappmacht.
»Ehrlich gesagt hatte ich gewaltige Zweifel, ob du es schaffen würdest«, nuschelt er.
»Und was wäre dann gewesen?«
Er zuckt die Achseln. »Das ist ja das Tolle an diesem Job. Wenn es mies läuft, lässt man einfach die Finger davon.«
Schließlich treten wir auf die Straße und machen uns auf die Suche nach einem Taxi. Ich nehme seinen Arm, direkt über dem Ellbogen, und drücke leicht zu.
»Weißt du, an wen du mich erinnerst?«, meint er. »An diese hässliche Kröte, die ich versehentlich auf der Frankfurter Buchmesse gevögelt habe.«
»Gerald! Bitte! Ich verliere schnell die Fassung. Und was meinst du mit versehentlich ?«
»Lange Geschichte. Ich dachte, sie sei jemand anderes.«
»Aber am Ende war sie nicht auch noch ein Mann in Frauenkleidern, oder?«
»Blödsinn. Da war gerade ein Taxi.«
Ein silbriger Dreiviertelmond stand über dem Picadilly. (Tut mir leid, doch diesen Satz wollte ich schon immer einmal schreiben.)
Wir taumelten weiter in Richtung Eros-Statue.
KAPITEL DREI
1
Das Wochenende verbringe ich in Shropshire, wo ich in mein altes Leben vor der Verwandlung zur Frauendarstellerin zurückkehre. Ich zögere, das Wort »Transvestit« in den Mund zu nehmen, da es eine gewisse Präferenz in der Frage nach dem Geschlecht impliziert.
Das Haus ist noch genau so, wie ich es verlassen habe. Ich kann nur staunen, wie dick eine Schimmelschicht auf einem Kaffeerest im Becher anwachsen kann. In einer Mausefalle entdecke ich einen im Tode erstarrten grauen Nager, der mit gebleckten Zähnchen gen Himmel starrt, die winzige Schnauze nur Millimeter von der leckeren Walnuss entfernt, die in dieser Gegend als wesentlich attraktiver angepriesen wird als Käse. Ich erschaudere. Hätte ich vor meinem Ausflug in die Damenwelt all den Schmutz und Unrat ebenso widerlich gefunden?
Hm.
Ich bezahle ein paar offene Rechnungen, stelle einen Eimer an die Stelle, wo das Dach leckt, und radle nach Oswestry.
Auf dem Postamt wechsle ich Geld für die Reise, bevor ich mich im Drogeriemarkt mit Lippenstift, Make-up, Rouge (die Verkäuferin sieht mich ziemlich scheel an) eindecke und eine hübsche Kette aus orangefarbenen Glasperlen erstehe.
Der verdammte Schuster hat allerdings noch immer geschlossen, und in der Zeitung steht nichts über den Rekord für die längste Erholungszeit nach einer Leistenbruchoperation.
Am Abend gehe ich ins Wobbly, wo sich die Urquhart-Brüder halbherzig erkundigen, wo ich die vergangenen Wochen abgeblieben bin. Ich habe das Gefühl, als interessiere sie das in Wahrheit einen feuchten Dreck.
»London. Hatte mich mit Kunden getroffen. Geschäft ankurbeln«, erkläre ich. »Was habe ich verpasst?«
»Schweinewochen bei Lidl«, antwortet Si, ohne eine Miene zu verziehen. Ich kann nur spekulieren, ob er einen Witz macht oder es tatsächlich ernst meint.
Schließlich taucht Caerwen auf, und ich erkundige mich nach den Fortschritten ihrer Sammelaktion.
»Als ich das letzte Mal gezählt habe, waren achtzig Pfund in der Flasche im Cross Keys. Nächsten Freitag veranstalten wir eine gesponsorte Kneipentour,
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