Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
Nichts gibt es einen Sog. Wir alle spüren ihn. Er ist überall und um uns herum. Wenn ihr über das Land seht, so könnt ihr ihn fühlen. Ihr spürt ihn, wenn das Gras sich bewegt und doch ist es nicht mehr als das schleichende Grauen eines Gefühls, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Alle Wesen Paneras teilen dies, aber wir haben gelernt zu ignorieren. Nirgends ist er so stark wie in dieser Leere.«
»Worauf wollt ihr hinaus?«, fragte Belothar mit Unverständnis in den Augen.
»Was seht ihr, wenn ihr den Anderen und ihrer verdorbenen Brut gegenübertretet?« Die Frage steckte voll bitterem Ernst, voller Trauer und gleichwohl Bedauern.
»Wenn sie einen angreifen, hat man keine Zeit darauf zu achten, ob sie einem schöne Augen machen.« Der Versuch zu witzeln wurde von einem zornigen Aufflackern in Deirdres Seelenfenstern erstickt.
»Sie sind geboren aus dem Fleisch geschändeter und verwandelter Frauen aller Rassen.«
»Nur die San-Hüter wissen davon. Woher …?«
»Sie sind eine deformierte Spezies mit verkrüppelten Seelen«, sprach Deirdre unbeirrt weiter.
»Nein, sie sind seelenlos«, widersprach Belothar.
Die Augen der Magierin weiteten sich zu jenem Blick, der bedeutete, dass man die Lösung gefunden hatte.
Was immer sie andeuten mochte, es konnte nicht sein. Wenn der Orden davon wüsste, dann ... Hätten sie etwas dagegen unternommen? War Celenas Suche mehr als das, was er sich in seinen düstersten Träumen hätte ausmalen können?
»Sie sind der Schrecken unser aller Träume. Entstanden aus dem Land der Träume, dem Land der … Toten. Geboren aus dem verdorbenen Fleisch ihrer Mütter und den Seelen derer die vor uns lebten.«
Zum ersten Mal verschlug es Belothar die Sprache. All sein Witz war ihm gründlich vergangen. »Die Anderen …«
Kalt wie Stahl schnitten Deirdres Worte ihm das Wort ab.
»Die Nemibistarmagier verschafften sich Zugang zur Stadt des Lichts. Es waren sogenannte Portale die ihnen den Weg bereiteten. Durch sie kann man schreiten ohne seinen Körper zu verlassen. Aber die Magier aus Nemibistar waren voreilig. Die Durchgänge waren von den Elfen errichtet worden und nur die für Würdig befundenen konnten durch sie hindurchschreiten. Unwissend darüber mussten die Nemibistarianer ihre Körper zurücklassen, als sie die Stadt des Höchsten Göttlichen betraten. Der Schöpfer verbannte sie aus der Stadt. Ihre Seelen, nicht ihre Körper, wohlgemerkt. Aus ihnen wurden die Ersten der Anderen. Seither ist das Nichts, das Jenseits von ihnen verdorben. Wir hier sind davon abhängig, weil es an unsere Welt gebunden ist und mancherorts wird der Schleier schwächer. So entstand der Sog. Er ist ein Strudel nachtschwarzer Finsternis, einem dunklem Sturm gleich, der alles mit sich reißt und die Seelen der Verstorbenen tatsächlich in unsere Welt zurückschickt. Eigentlich sollten die Seelen in neues Leben wiedergeboren werden, was sie in der Tat werden. Jedoch nicht, indem sie neue neugeborene Kinder bewohnen. Sie werden in etwas anderem hineingeboren, nämlich in die Gestalt derer, die ihr die Anderen nennt. Und sie infizieren uns. Sie verderben alles und mit jedem Aufmarsch den sie vollziehen, wird der Sog stärker. Immer weniger Kinder werden in diese Welt geboren, Belothar. Wir merken es nicht, weil das Böse kommt und geht, sein Strom mal stärker, mal schwächer wird. Schon der nächste Aufmarsch der Ihren könnte unser Ende sein.«
Völlig von dem Erzählten vereinnahmt, lauschte Belothar den Worten Deirdres weiter, indes seine Schultern unmerklich tiefer absackten..
»Mit jedem Erzalten, den die San-Hüter erschlugen, nähern wir uns unserer Vernichtung. Mit jedem Mord, jedem Krieg, jedem einzelnen Toten wird ihre Aufzucht genährt. Denn diejenigen, die eines gewaltsamen Todes sterben, zieht der Strudel stärker an. Sie sind empfänglicher dafür. Die Schöpferhäuser behaupten, es gäbe nur ein Leben. Machen wir in dieser Form weiter, werden sie damit recht behalten. Das Gift der Boshaftigkeit ist keine Strafe, Belothar. Diese Geschöpfe der Anderen, sie sind die Rache der Getöteten für unsere Vergehen. Es ist ein Scherz aus der Geschichte, eine Antwort auf unsere gewalttätige Natur, um die wir wissen und dennoch nicht abstellen wollen. Wir sind unserer Gabe der Vernunft nicht würdig.«
Deirdre seufzte. In diesem Augenblick wirkte sie alt und müde.
»Nur aus diesem Grunde sind die Anderen seelenlos. Eine fleischgewordene Seele kann keine andere Seele beherbergen. Die Magiergilde
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