Verraeterisches Herz
habe ich nicht mehr an sie gedacht. Vielleicht weiß Giacomo, wo sie wohnt.“
„Es spielt keine Rolle. Mittlerweile lohnt es sich nicht mehr, sich über sie zu ärgern.“
„Für sie wäre es in der Tat am besten, wenn wir sie nie finden.“
„Wir wissen nicht, ob sie wirklich die Schuldige ist.“
„Sie muss es sein“, erklärte er voller Überzeugung. „Ich kann nicht glauben, dass meine Mutter so gehandelt hat.“
„Ich gebe zu, dass es auch mir schwerfällt, es mir vorzustellen.“ Alicias Blick fiel auf ihre Armbanduhr. „Wann sollen wir aufbrechen? Ich brauche Zeit, um zu duschen und mein Haar zu bändigen.“
„Reicht dir eine Stunde?“
„Natürlich. Übrigens, woher stammen die Pastetchen eigentlich?“
„Die habe ich gekauft, während du geschlafen hast.“ Lächelnd räumte Francesco das Tablett ab. „Aber den Kaffee habe ich mit meinen eigenen Händen gekocht.“
Die Fahrt nach Montedaluca dauerte weniger als eine Stunde. Doch der Anblick der alten Stadtmauern weckte in Alicia den Wunsch, sie hätte doppelt so viel Zeit in Anspruch genommen. Trotz Francescos Versprechen, dass die Dinge sich geändert hätten, empfand sie ein flaues Gefühl im Magen. Die Menschen auf den Straßen lächelten und winkten, als sie Francescos Wagen erkannten. Schließlich fuhren sie durch den steinernen Torbogen, der noch aus der Römerzeit stammte.
Francesco parkte am Fuße einer alten Marmortreppe, die zu einer großen schweren Tür emporführte. Sogleich trat Giacomo aus dem castello und eilte zu ihrer Begrüßung.
„Benevenuto contessa“ , begrüßte er sie voller Wärme.
„Grazie. Come sta, Giacomo?“ , erwiderte sie überrascht.
Er versicherte ihr, dass es ihm gut gehe, und übernahm die Koffer, die Francesco ihm aus dem Wagen reichte. Die Damen, sagte er weiter, warteten bereits ungeduldig auf der Terrasse. Und Lunch würde in einer halben Stunde serviert, falls es der contessa genehm sei.
„Ist es das, Alicia?“, fragte Francesco. Das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er ganz genau wusste, wie sehr sie nicht nur die Anrede mit ihrem Titel, sondern auch das herzliche Willkommen überwältigte. „Richten Sie den Damen aus, dass wir uns kurz frisch machen und uns anschließend zu ihnen gesellen“, sagte er zu Giacomo, bevor er die sprachlose Alicia die Stufen hinauf in die Eingangshalle führte.
Nichts hatte sich geändert. Die Wände waren noch immer in demselben hellen Ockerton gestrichen. In regelmäßigen Abständen hingen riesige Wandleuchter befestigt, die ungefähr ein Dutzend Kerzen fassten. Eine breite, sich in der Mitte nach rechts und links teilende Treppe führte zu einer Galerie hinauf, von der aus ein Salon und das Esszimmer abzweigten. Am jeweiligen Ende lagen die Türme, die die Schlafzimmer beherbergten.
„ Grazie , Giacomo“, bedankte Francesco sich, als dieser die Koffer in einem Zimmer absetzte, das Alicia als dasjenige wiedererkannte, in dem sie nach der Hochzeit völlig erschöpft eingeschlafen war – ohne zu wissen, dass es Francescos Schlafzimmer war.
„Wenn“, setzte Francesco an, bevor sie noch protestieren konnte, „wir die Geschichte von unserer Versöhnung aufrechterhalten wollen, müssen wir auch das Zimmer teilen, Alicia. Aber mach dir keine Sorgen, ich werde auf dem Sofa im Ankleidezimmer schlafen, du in meinem Bett. Die räumliche Nähe ist auch gut, falls du noch einmal einen Albtraum bekommst.“
Nur zögernd nickte Alicia. „Vermutlich hast du recht. Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich brauche Zeit im Bad, um mich für die Damen herzurichten. Nebenbei bemerkt, ich war von Giacomos freundlicher Begrüßung überrascht. Er schien sich aufrichtig zu freuen, mich zu sehen.“
Francesco lächelte schief. „Das tut er. Er denkt, ich sei einsam.“
„Und, bist du das?“
„Manchmal“, erwiderte er schulterzuckend. „Tagsüber arbeite ich hart. Abends esse ich meistens alleine oder mit Zia Luisa und Bianca. Anschließend falle ich müde ins Bett. Fast alle meine Freunde sind verheiratet und haben Familie. Bisweilen laden sie mich ein, mitunter ich sie. Nur Roberto Alva, auch ein alter Freund und mittlerweile der Arzt im Ort, ist immer noch solo. Hin und wieder bittet er mich zu einer Partie Schach.“ In seinen Augen erschien ein spöttischer Ausdruck. „Verglichen mit deinem Leben muss dir meines sehr langweilig vorkommen.“
„Was ist mit den Ladies, denen du im geeigneten Moment von deiner Ehefrau erzählst?“
„Diese Art von
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