Verraeterisches Herz
gesagt hast. Wahrscheinlich hättest du mich wieder beruhigen können, schließlich habe ich dich sehr geliebt. Was den eigentlichen Ausschlag gegeben hat, war der Schmerz über das, was die contessa getan hat. Ich konnte nicht fassen, dass sie so grausam war. Damals wusste ich ja nicht, dass vermutlich Cinzia für alles verantwortlich ist. Aber deine Abscheu in Kombination mit der Grausamkeit deiner Mutter, ließ mir die Aussicht auf eine Zukunft in Montedaluca unerträglich werden.“
Francesco murmelte etwas, das verdächtig nach einem Fluch klang, und schenkte etwas Kaffee nach. „Eines musst du mir glauben“, bat er eindringlich. „Ich habe dich geliebt. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als ich erfahren habe, dass du in einen fremden Wagen gestiegen bist?“ Seine Miene verdüsterte sich.
„In meinem Kopf habe ich mir die furchtbarsten Ereignisse ausgemalt … dass du gekidnappt wurdest oder noch Schlimmeres.“
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Aber ich habe dich angerufen, Francesco.“
„Sollte diese kaltherzige Nachricht mich etwa trösten?“
„Ich wollte dich nicht trösten.“ Sie räusperte sich, weil ihre Stimme zu brechen drohte.
Francesco schwieg lange, dann fragte er ernst: „Hättest du auch ohne Gareth zugestimmt, eine Weile hierzubleiben?“
„Wahrscheinlich nicht. Ich bin nur hergekommen, um die Papiere zu unterschreiben, erinnerst du dich? Aber unter den gegebenen Umständen ist es eine praktische Lösung.“ Nur mühsam unterdrückte sie ein Gähnen. „Tut mir leid! Die vielen Enthüllungen sind emotional sehr erschöpfend. Ich denke, ich werde Luisas Beispiel folgen und mich ein wenig ausruhen.“
„Eine sehr gute Idee, carina .“ Francesco erhob sich. „In der letzten Nacht hast du nur wenig geschlafen.“
Auf dem Rückweg kamen sie wieder am Esszimmer vorbei, dessen Prunk Alicia jedes Mal überwältigt hatte, wenn sie hier mit Francesco und seiner Mutter dinierte. „Isst deine Tante immer mit dir zusammen?“
„Manchmal. Aber wir essen nicht mehr hier, es sei denn, wir haben Gäste. Als ich das Personal reduziert habe, habe ich auch angeordnet, dass in dem kleinen Raum unten serviert wird, der auf die Terrasse hinausführt. Wenn das Wetter gut ist, auch direkt dort. So ist es viel einfacher für Pina und auch viel … wie heißt das Wort?“
„Gemütlicher?“
Er lächelte. „Genau. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben als im castello , aber ich lege keinen Wert auf die Förmlichkeiten, die meiner Mutter so wichtig waren.“
„Sie kannte es nicht anders.“
Unterdessen waren sie bei Francescos Privaträumen angelangt. Er schüttelte den Kopf. „Nein, das stimmt nicht. Allerdings hat sie sich immer Mühe gegeben, diesen Eindruck zu erwecken. Als sie meinem Vater begegnete, hat sie in seinem Hotel in Mailand gearbeitet. Sie war sehr hübsch.“
„Sie war immer noch hübsch, als ich sie kennenlernte“, sagte Alicia und kuschelte sich in die Kissen auf dem Bett. „Dein Vater hat sich also in sie verliebt?“
„Vielleicht. Mamma hat nur sehr wenig darüber erzählt. Zia Luisa hat mir später anvertraut, dass mein Vater mit vielen Frauen liiert war, jedoch keine heiraten wollte. Im Alter von sechsundfünfzig änderte sich das plötzlich.“
„Ich glaube, ich verstehe jetzt besser, weshalb deine Mutter von deiner Wahl nicht begeistert war. Offenbar hat sie sich eine adelige Braut für dich gewünscht, keinen Niemand wie mich, ohne nennenswerten Stammbaum. Was ist mit ihrer Familie? Ich kann mich nicht erinnern, einen ihrer Verwandten bei der Hochzeit getroffen zu haben.“
„Sie hat ihre Familie nicht eingeladen. Als sie ein Mädchen war, gehörte ihrem Vater eine kleine Trattoria. Mit der Zeit begann er zu expandieren und Immobilien zu erwerben. Aber anstatt als Kellnerin für ihn zu arbeiten, hat sie in dem Hotel meines Vaters als Rezeptionistin angefangen. Den Conte Ettore da Luca zu heiraten, bedeutete einen großen Triumph für sie. Papa Lusardi stattete seine Tochter mit einer mehr als ansehnlichen Mitgift aus, darunter auch das Haus in Florenz, das du schon kennst. Für sie jedoch blieb sein sozialer Status inakzeptabel, und sie haben sich immer weiter entfremdet. Ich habe ihn nach ihrem Tod besucht und die traurige Nachricht überbracht und ihn eingeladen, nach der Beerdigung eine Weile im castello zu wohnen. Seine Trauer hat mich tief berührt. Erst als Mamma krank wurde, habe ich erfahren, dass ihr
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