Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verrat im Zunfthaus

Verrat im Zunfthaus

Titel: Verrat im Zunfthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
Vom Netzwerk:
hatte nicht einmal mitbekommen, dass Neklas Colin mit hinuntergenommen hatte. Was musste das nur für einen Eindruck auf Benedikta machen? Eine Mutter, die die Bedürfnisse ihres Kindes verschlief!
    Sie wandte sich um und wollte zur Kleidertruhe neben dem Fenster eilen, wäre jedoch beinahe erneut über Moses gestolpert, der ihr mittlerweile um die Beine strich.
    Er bellte empört und zog sich an die Kammertür zurück. Von dort sah er sie anklagend an.
    «O Moses, verzeih.» Sie ging in die Hocke und winkte den Hund zu sich. «Heute scheint nicht ganz mein Tag zu sein, was?» Sie streichelte ihm über den Rücken, und er stupste sie freundlich mit seiner feuchten Nase an. Lachend erhob sie sich wieder und öffnete die Kammertür. «Los, geh schon hinunter.»
    Rasch zog sie ein sauberes, rostrotes Kleid aus der Truhe und zog sich an. Sie schlüpfte in die leichten Sommerschuhe,und schon im Gehen streifte sie den dunkelbraunen Surkot über und schloss die drei hübschen silbernen Ziertasseln.
    «Franziska?», rief sie von der Treppe aus, bekam jedoch keine Antwort. Als sie die Küche betrat, fand sie dort Magda und Benedikta einträchtig über einen großen Topf gebeugt, aus dem es nach frischgekochtem Beerenmus duftete.
    Colin lag frisch gewickelt in seinem Bettchen und gluckste fröhlich, als Adelina ihn auf den Arm nahm.
    «Ah, meine Liebe, da bist du ja schon!» Benedikta drehte sich zu ihr um und strahlte sie an. «Ich dachte, du würdest noch etwas länger schlafen wollen. Neklas sagte uns, dass du sehr lange mit diesem neuen Zuckerguss experimentiert hättest. Wir haben uns gut um Colin gekümmert, und er schien auch noch keinen Hunger zu haben, sonst hätten wir dich natürlich geweckt. Du hast gerade das Frühstück verpasst, aber ich habe Magda einen Happen für dich beiseitelegen lassen. Und sieh her, duftet dieses Mus nicht herrlich? Ich werde es heute Abend nach dem Essen servieren. Es passt sehr gut zu süßen Wecken … Ach, ich vergaß Feidgin zu sagen, sie soll welche vom Bäcker mitbringen!»
    «Ist sie denn ausgegangen?» Adelina setzte sich auf die Ofenbank, knöpfte ihr Kleid auf und legte Colin an.
    «Wie praktisch», lächelte Benedikta. «Diese Tasseln und Ösen, nicht wahr? Neklas’ Vater fand immer, das sei überflüssiger Schnickschnack. Es dauerte lange, bis er begriffen hat, wie viel leichter man es damit hat, einem Säugling die Brust zu geben. Und hübsch anzusehen sind sie auch noch!» Sie setzte sich neben Adelina. «Feidgin ist mit Donatus zum Einkaufen gegangen.»
    Schon wieder, dachte Adelina, sagte jedoch nichts.
    «Sie haben Griet bei den Beginen vorbeigebracht, und Feidgin will sich heute das Spektakel auf dem Neumarkt ansehen.»
    «Welches Spektakel?», fragte Adelina erstaunt.
    «Ach, das haben wir gestern erfahren. Dort findet heute so etwas wie ein Schützenfest statt. Die Bogenschützen verschiedener Bruderschaften zeigen ihr Können, und dazu soll es Musik und Tanz geben. Für mich ist das nichts, aber meine Schwester liebt solche Lustbarkeiten. Ihr zweiter Mann war auch Bogenschütze, musst du wissen.»
    «Ihr zweiter Mann?» Adelina setzte sich etwas aufrechter hin und ließ Colin die Seite wechseln. «Also ist sie zweifache Witwe?»
    «Dreifache.» Benedikta lächelte etwas gequält. «Vierfache, wenn man es genau nimmt, doch ihr erster Gemahl zählt wohl nicht so richtig, denn er ist schon wenige Stunden nach der Hochzeit von uns gegangen, Gott hab ihn selig.» Sie bekreuzigte sich. Als sie Adelinas verblüfften Gesichtsausdruck sah, zuckte sie mit den Schultern. «Sie war damals noch sehr jung, gerade vierzehn. Mein Vater verlobte sie mit einem älteren Geschäftsfreund … zugegeben, einem sehr viel älteren. Ihm ist vielleicht das viele Essen und Trinken auf dem Hochzeitsbankett nicht bekommen, denn er erlag einem Herzschlag, noch bevor die Ehe vollzogen war.»
    «Oh, wie entsetzlich!», entfuhr es Adelina, und sie schauderte.
    Benedikta schmunzelte. «Nun, für Feidgin vielleicht nicht, denn sie ekelte sich furchtbar vor dem ‹alten Mann›, wie sie ihn heimlich nannte. Aber sie hatte natürlichkeine Wahl. Nachdem er gestorben war, übernahm unser Vater sein Geschäft, vielleicht hatte er es von Anfang an darauf abgesehen, dass so etwas geschieht, wer weiß. Nach einem Jahr wurde Feidgin erneut verlobt, zwar wieder mit einem Geschäftsfreund unseres Vaters, diesmal jedoch mit einem sehr viel jüngeren. Ihrer zweiten Ehe sah Feidgin viel erwartungsfroher entgegen.

Weitere Kostenlose Bücher