Verrat im Zunfthaus
Griet hierhergebracht hat. Als Neklas damals mit ihr in mein Haus kam, war sie ganz mager und scheu, die Kleider abgerissen. Du sorgst gut für sie. Bei ihrem Stiefvater hatte sie gewiss kein schönes Leben.»
«Nein, ganz gewiss nicht», sagte Adelina bitter und dachte an das Bündel Mensch, das Neklas von seiner Reise mitgebracht hatte, und an die Wunden an Griets Handgelenk. Die Wunden! Darüber musste sie mit Neklas reden, so bald es ging.
Benedikta ging nicht darauf ein, sondern sprach ruhig weiter: «Wie ich schon sagte, Neklas machte nie Anstalten, sich eine Braut zu suchen. Als ich dann seinen Brief erhielt, war es wie ein kalter Guss für mich. Er schrieb, er sei in Köln seinem Glück begegnet!» Benedikta lächelte verschmitzt, und um ihre Augen bildeten sich Lachfältchen. «Einem noch recht widerborstigen Glück zwar, doch das schien ihn nicht zu schrecken. Er versicherte mir, er werde dich übers Jahr vor das Kirchenportal von St. Brigiden führen, auch wenn er bis dahin noch einiges an Überredungskunst aufbieten müsse.» Sie lachte erheitert. «War es so? Musste er dich zur Heirat überreden?»
Adelina spürte, wie die Röte in ihre Wangen kroch. Verlegen blickte sie auf die Tischplatte. «Wann hat er das geschrieben?»
«Oh, warte, der Brief kam … ja, kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1395.»
Adelina biss sich auf die Lippen und spürte einen merkwürdigen Schauer über ihr Rückgrat kriechen. «Damals also schon …» Sie hob den Kopf. «Ihr habt es nicht gutgeheißen?»
«Du sollst mich doch duzen», berichtigte Benedikta sanft und schüttelte den Kopf. «So kann man das nicht sagen. Ich war überrascht, auch besorgt. Ich fragte mich natürlich, was für eine Art von Frau du wohl sein mochtest. Er schrieb ja insgesamt sehr geheimnisvoll von dir. Und da es bei dieser Verbindung wohl nicht um Geld oder andere praktische Erwägungen ging, fürchtete ich natürlich, du könntest ihn unglücklich machen. Denn wenn eine Hochzeit auch zugleich eine Herzensangelegenheit ist, besteht diese Gefahr natürlich immer. Ich wäre, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, schon viel früher hierhergereist, das kannst du mir glauben. Aber ich hätte wohl dem Urteil meines Sohnes vertrauen sollen.» Nun legte Benedikta Adelina wieder eine Hand auf den Arm. «Du bist genau die Frau, die er braucht …, die er vielleicht immer gesucht hat, wer weiß? Als ich dich sah, war ich so erleichtert! Feidgin übrigens auch. Sie lag mir die gesamte Reise über ständig mit ihren Vermutungen über dich in den Ohren, dass mir schon ganz elend zumute war. Und wie muss es erst für dich gewesen sein? Abgesehen davon, dass man über Schwiegermütter selten etwas Gutes erzählt, hattest du ja noch weniger eine Ahnung, was auf dich zukommt. Und nicht einmal eine eigene Mutter oder sonstige Verbündete! Wenn ich nicht so besorgt gewesen wäre, hätte ich vermutlich schon deswegen Mitleid mit dir empfunden.» Nun nahm sie Adelinas Hand und drückte sie leicht. «Ich habe natürlich gemerkt, wie zurückhaltend du dich mir gegenüber benimmst. Aber das brauchst du nicht, meine Liebe, ganz gewiss nicht. Ich bin gerne hier, und ich helfe, solange unser Besuch dauert, liebend gern überall aus. Doch wenn dich etwas stört, möchte ich, dass du esmir sagst. Immerhin habe ich kein Recht, mich in dein Leben einzumischen.»
«Du beschämst mich», sagte Adelina leise.
«Das lag nicht in meiner Absicht», antwortete Benedikta leise. «Vielmehr hatte ich gehofft, in dir eine neue Tochter zu finden, und eine Freundin.»
«Ich weiß nicht mehr, wie es ist, eine Tochter zu sein, noch, eine Mutter zu haben.»
«Und Freundinnen gehen hier wohl auch nicht ein und aus», ergänzte Benedikta verständnisvoll. «Du warst zu lange auf dich allein gestellt, Adelina. Nun lass uns ein Glas Wein trinken und uns noch ein wenig ausruhen, bis die ärgste Hitze vorbei ist. Dort drüben neben dem Ausguss steht der Eimer mit dem kalten Wasser für dich. Ich wundere mich, dass Feidgin und Donatus noch nicht zurück sind. Weißt du, wie lange diese Schützenfeiern im Allgemeinen dauern?»
«Meistens bis zum Abend.»
«Na, hoffen wir, sie finden schon früher den Weg nach Hause. Ganz wohl ist mir nicht dabei, dass meine Schwester so lange allein in der Stadt herumläuft.»
***
Benediktas Sorge erwies sich als unbegründet, denn nur wenig später kehrten ihre Schwester und Donatus heim.
Feidgin sprudelte geradezu über vor Begeisterung, sie schien
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