Verrat im Zunfthaus
später führte Magda Marie Elfge in die Küche.
Adelina blickte ihr überrascht entgegen, übergab Colin an Benedikta, die ihn eilig hinaustrug, und richtete ihr Kleid.
«Verzeiht, Meisterin Burka, wenn ich Euch schon wieder störe», setzte Marie an, doch Adelina winkte ab.
«Ist schon gut, ich wollte heute sowieso noch zu Euch.» Sie wies auf die Bank vor dem großen Tisch. «Nehmt Platz.»
«Ihr müsst mich für verrückt halten», begann Marie erneut und schrak zusammen, als hinter ihr die Küchentür aufgerissen wurde.
«In der Tat. Verrückt ist gar kein Ausdruck», knurrte Meister Jupp und setzte sich unaufgefordert neben Adelina auf die Ofenbank. «Ich sah Euch über den Marktplatz kommen. Ihr seid ohne Eure Magd unterwegs.»
«Ich habe sie fortgeschickt», erklärte Marie und warf ihm einen abschätzenden Blick zu. «Sie muss nicht wissen, wo ich bin.»
«Marie?» Adelina stand auf und setzte sich neben sie. «Was ist geschehen?»
«Ihr ist klar geworden, dass sie endlich mit der Wahrheit herausrücken muss.»
«Meister Jupp, ich bitte Euch!» Adelina blickte den Chirurgen streng an.
«Nein, ist schon gut, Meisterin Burka. Er hat ja recht.» Maries Gesichtsfarbe wechselte von blass zu rot. Nervös nestelte sie an ihrer Gürteltasche. «Ich wollte es nicht wahrhaben, aber nun …» Sie blickte auf, und in ihren Augen standen Tränen. «Ich habe Angst, Meisterin Burka!»
Meister Jupp stieß einen undefinierbaren Laut aus. Adelina blickte ihm prüfend ins Gesicht und stellte verwundert fest, dass sie dort weder Unmut noch Verachtung fand, wie sie gedacht hatte. Nein, in seinen Augen spiegelte sich tiefes Mitgefühl und noch etwas, von dem sie nicht glauben konnte, dass sie es recht erkannte. Sie blickte auf Marie, die jedoch ihre Augen gesenkt hatteund die Gürteltasche zwischen den Fingern knetete. Verwirrt sah Adelina wieder zu Meister Jupp, der die junge Frau noch immer beobachtete.
Sie schüttelte leicht den Kopf und versuchte, sich auf das zu besinnen, was im Augenblick viel wichtiger war. «Jungfer Marie, was wollt Ihr uns berichten?»
«Es ist alles so schrecklich», sagte Marie tonlos. «Erst dachte ich, er sei schuld … und nun …» Sie blickte Adelina verzweifelt in die Augen. «Meisterin Burka, ich glaube, mein Vater ist in großer Gefahr.»
«Euer Vater?»
«Wisst Ihr, ich hatte Angst, weil … Er ist doch jetzt Schöffe.»
«Und?»
«Und das Femegericht besteht doch aus Schöffen.»
«Freischöffen, die im Geheimen gewählt oder ernannt werden», bestätigte Meister Jupp, dann sprang er plötzlich in einer heftigen Bewegung auf. «Lieber Gott, jetzt verstehe ich erst!» Er fuhr sich erregt durch die Haare, als er sah, dass Adelina ihnen nicht folgen konnte. «Überlegt doch! Niemand weiß, wer von den Schöffen dem Femegericht angehört. Aus gutem Grund. Maries Vater …»
«O Gott!» Entsetzt schlug Adelina eine Hand vor den Mund. Mit der anderen ergriff sie Maries verkrampfte Finger. «Ihr glaubt, Euer Vater ist einer von ihnen?»
Marie schluchzte auf.
«Ihr fürchtet, er habe das Femeurteil über Eure Schwester und Meister Vetscholder mitgefällt, nicht wahr?» Der Chirurg trat auf Marie zu, und als sie unglücklich nickte, ging er vor ihr in die Hocke und berührte sanft ihren Arm.
Adelina bemerkte, wie Marie leicht zusammenzuckte, ihm dann jedoch in die Augen sah.
Einen langen Moment lang hielten die beiden einander mit Blicken gefangen. Adelina hätte sich gerne ein wenig zurückgezogen, doch da sie noch immer Maries Hand hielt, war dies nicht möglich.
Als es ihr jedoch langsam unbehaglich wurde, räusperte sie sich entschlossen. «Ihr fürchtet also, Euer Vater hat den Tod Eurer Schwester mitzuverantworten?»
Marie riss sich von Meister Jupps Blick los und atmete tief durch. «Ich weiß es nicht, Meisterin Burka. Er hat Bela geliebt. Wie kann er dann das Todesurteil über sie fällen? Ich habe Angst, mit ihm in einem Haus zu bleiben. Denn wenn es wirklich so war … Er ist mein Vater!»
«Aber warum glaubt Ihr, er sei in Gefahr?», fragte Meister Jupp. Er erhob sich und setzte sich an das äußere Ende der Ofenbank. Adelina kam es vor, als wolle er möglichst viel Raum zwischen sich und Marie bringen.
«Ich war auf dem Heimweg von Euch», begann sie stockend zu erzählen. «Ihr», sie blickte unsicher zu Meister Jupp hinüber, «habt mich mit Euren Worten sehr erschreckt, denn Ihr habt ausgesprochen, was ich nicht wahrhaben wollte.» Die letzten Worte sprach
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