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Verrückte Lust

Verrückte Lust

Titel: Verrückte Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Schlafen blieben, verbrachten sie damit, sich hin und her zu wälzen,
    Beschuldigungen auszustoßen und sich wieder zu versöhnen.
    Völlig erschöpft, mit den Nerven am Ende, weinend,
    schluchzend, eben noch fluchend und nun schon wieder
    nachgebend, schlief Hildred schließlich in seinen Armen ein und lag da wie ein Stein. Manchmal fuhr sie angstvoll hoch und schrie: »Ah, du bist es!« Und dann flehte sie ihn an, von ihr abzulassen, und sagte ihm, er sei grausam, er bringe sie um.
    »Was hast du denn nur geträumt?«
    »O Gott, ich weiß es nicht… frag mich nicht. Ich sage dir, ich fühle mich wie tot.«
    Und während er sich bemühte, ihre Träume aus ihr
    herauszuholen, während er rasch alle Lügen und Intrigen, von denen sie umgeben war, an sich vorbeiziehen ließ, hörte er dann plötzlich Vanya die Tür zu ihrem Zimmer schließen. Ihr Schatten glitt immer wieder an der schweren Tür mit der Buntglasfüllung vorbei. Was machte sie da draußen, diese langmähnige Teufelin? Was für eine neue Verschwörung
    heckte sie aus? Er nahm Hildred in die Arme und drückte sie an sich, als wollte er sie vor einem bösen Geist beschützen.
    Und wieder bekam sie dann diesen alptraumhaften
    Gesichtsausdruck und schrie: »Herrgott, laß mich doch in Ruhe!«
    »Hildred, hörst du mich denn nicht?«
    »Wenn das noch lange so weitergeht, werde ich noch
    verrückt.«
    »Und was ist mit mir? Glaubst du denn, für mich ist das der reine Genuß?«
    »Himmelherrgott, was willst du denn eigentlich von mir?«
    »Das weißt du doch… Ich will, daß du sie wegschickst.«
    »Wenn du so redest, laufe ich davon… Ich schwöre dir, ich halte das nicht länger aus.«
    »Aber hör doch, Hildred… Du sagst, daß du mich liebst, daß du alles für mich tun würdest…«
    »Ja, aber nicht das!«
    »Warum nicht?«
    »Darum nicht.«
    »Weil du verrückt bist, weil du eine verdammte Hexe bist, weil du wahnsinnig bist! Ich sollte diesen Mist aus dir herausprügeln.«
    »Tony, Tony! Mein Gott, was für Sachen du sagst!« Sie wirft sich über ihn und bedeckt sein Gesicht mit Küssen. Sie streicht über seine Stirn und fährt ihm mit der Hand durchs Haar.
    »Mein Gott, Tony, wie kannst du so was nur sagen? Du bist krank. Du brauchst Ruhe. Weißt du nicht, daß ich dich liebe, Tony? Was würde ich denn ohne dich anfangen? Willst du mich zerstören?«
    »Aber ich bin nicht verrückt… Ich meine es ernst. Jedes Wort.«
    »Aber du kannst das doch nicht ernst meinen, Tony. Du bist krank. Du bist krank.«

    4

    Alle Nerven lagen blank. Alle waren nervös, gereizt,
    empfindlich. Überempfindlich. Wie einer, der sich über kalte Füße beklagt, nachdem man ihm die Beine amputiert hat.
    Vanya, die Stoikerin, sagte eines Tages zu Tony Bring: »Es ist gut für dich, daß du leidest… Dann kannst du besser
    schreiben.«
    Dann kannst du besser schreiben! Eine schöne Art, ihn mit der Nase auf seine Trägheit zu stoßen. Das große Buch, für dessen Zusammenfassung er viele Packpapierbögen gebraucht hatte, gab es nicht mehr. Er hatte es durch den Schornstein gejagt, zusammen mit den Stühlen und allem möglichen
    anderen Zeug. Man konnte natürlich jederzeit mit einem neuen Buch anfangen. Hatte Carlyle sein Buch Die Französische Revolution denn nicht auch neu geschrieben, als das Manuskript verlorengegangen war? Doch er war nicht Carlyle.
    Trotzdem – es tat sich wieder etwas in seinem Kopf. Er kritzelte auf Papierfetzen und in ein kleines Notizbuch – es war eine Art Sherwood-Anderson-Unsinn, nur daß es hier kein Wandern von einem Mißerfolg zum anderen gab, keine
    Handlangerarbeiten in Brauereien, daß hier keine Sachen aus einem Fenster im ersten Stock geworfen wurden.
    Oder war es nur eine Art, die Zeit totzuschlagen? Man konnte bloß eine gewisse Menge Spengler und Proust lesen, dann hatte man genug. Auch Joyce gab einem Verstopfung. In
    Frankreich gab es schlaue Burschen, die sich hin und wieder die Nadel setzten. Alle sechs Monate ein neues Buch – und dann auch noch mit Illustrationen. Eine unerschöpfliche Schaffenskraft. Aber in Amerika führte eine Kokain-Atmosphäre irgendwie nicht zu Literatur. Amerika brachte Revolverhelden und Bierbarone hervor. Die Literatur überließ man den Frauen. Alles war den Frauen überlassen, alles bis auf die Weiblichkeit.
    Was kritzelte er denn überhaupt? Und warum mußte er ins
    »Caravan« gehen, um seine Notizen zu machen? Vanya regte sich andauernd darüber auf. Wenn er ein Buch über sie
    schreiben

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