Verscharrt: Thriller (German Edition)
Kannst du jonglieren? Feuer schlucken? Einrad fahren? Die Leute zum Lachen bringen? Was ist dein Talent? «
» Und Sie? Warum haben Sie’s getan? « , fragt O’Hara.
» Ich war’s nicht. Egal was da im Garten passiert ist, ich war’s nicht. «
» Das weiß ich « , sagt O’Hara. » Ich meine, warum haben Sie sich den Bart stehen lassen? «
» Ich erzähle Ihnen die Kurzfassung, und das ist die Wahrheit. Als das erste Haar wuchs, und am Anfang war es wirklich nur eins, war ich noch ein Teenager und hatte gerade mein Coming-out als Lesbe. Ich wollte es auszupfen, war ganz kurz davor, aber dann dachte ich, dass ich mich dem nicht unterwerfen will. Bald tauchte ein zweites auf, dann ein drittes. Auch diese Haare habe ich nicht ausgezupft, und an den verstörten Reaktionen der Leute habe ich erkannt, dass ich auf etwas Wichtiges gestoßen war. Seitdem habe ich tausend Mal überlegt, ob ich mich rasieren soll, aber inzwischen gehören mein Bart und ich so sehr zusammen, dass ich ohne ihn gar nicht mehr genau wüsste, wer ich bin. «
» Sie wären Jennifer. «
» Und wenn mir das nicht mehr reicht? «
KAPITEL 19
Der Getränkehalter des 94er Jetta ist dem großen 07er Iced Coffee von Dunkin’ Donuts nicht gewachsen. O’Hara hält den Donut in einer Hand und den thermosflaschengroßen Iced Coffee in der anderen, und als ihr Klingelton ertönt, steckt sie sich den Donut in den Mund und klappt ihr Handy auf. Es ist Grimitz von der Drogenkommission.
» Darlene, wir haben die Ergebnisse für das Cannabis. Das ist das stärkste, das wir je getestet haben. Hydrokultur. So was wird von kiffenden Akademikern in speziellen Gewächshäusern angebaut und ist sehr teuer. Hat mit dem indischen Hanf, den die Kids rauchen, nichts zu tun… Darlene, bist du noch dran? «
» Ja… was ist mit den Initialen– › GMS ‹– sind dir die schon mal untergekommen? «
» Nein. Das NYPD interessiert sich nicht für Designergras, vielleicht weil sich die Leute, die damit zu tun haben, selten gegenseitig umbringen. Aber da fällt mir was ein: Im vergangenen Sommer kam ein Junge auf seinem Skateboard in die Notaufnahme des Beth Israel gerollt. Die Schwester, mit der ich damals zusammen war, hat ihn gefragt, was los ist. Er sagt, er ist am Durchdrehen. Sie fragt ihn, was er genommen hat, und er meint: Gras. In den nächsten zwei Tagen kommen noch fünf Jugendliche in die Notaufnahme und erzählen dieselbe Geschichte, und laut der Schwester, mit der ich inzwischen nicht mehr zusammen bin, weil sich herausstellte, dass sie selbst schmerzmittelabhängig war, kennen die sich alle vom Tompkins Square, den man auch nicht unbedingt mit Pot für fünfzehnhundert Dollar die Unze in Verbindung bringen würde. Die Jungs sind so starkes Zeug nicht gewohnt und deshalb in der Notaufnahme gelandet. Ich hab noch nicht weiter drüber nachgedacht, aber das könnte GMS sein. «
Anstatt zur Wache zurückzufahren, schickt O’Hara Jandorek eine SMS , fährt ins East Village, parkt in der Avenue C und spaziert über die Ninth in den Park. Obwohl wieder einmal eine Affenhitze angekündigt ist, hat sich im Park noch ein bisschen was von der nächtlichen Frische gehalten. Ein paar ältere Semester haben schon früh mit dem Handballspielen begonnen, ein Junge übt Freiwürfe, und ein paar Muskelprotze hängen am Reck, wie auf einem Gefängnishof ohne Schließzeiten. Aber die echten Spezialisten sind im Hundegehege. Als O’Hara vorbeigeht, springt ein großer Jagdhund mit breiter Brust, langen Hinterbeinen und heraushängender Zunge wie auf einem Sprungstock über den ein Meter fünfzig hohen Zaun, immer wieder hin und her. Sein Herrchen blickt kaum von der Times auf, um den vollgesabberten Ball für ihn zu werfen.
Die Skater haben die Ecke im Nordwesten des Parks bekommen, ein großzügig bemessener Platz mit Blick auf die kleinen Geschäfte der Avenue A und die eleganten Town Houses auf der East Tenth Street. Auf dem rechteckigen Areal wirkt alles abgewetzt– der Asphalt, die Holzbänke, die Mülltonnen, sogar die Rinde an den Bäumen. O’Hara setzt sich auf eine verkratzte Bank und hofft, sich nicht später einen Splitter aus dem Arsch ziehen zu müssen. Ein halbes Dutzend Skater, die extra früh aufgestanden sind, um der Hitze zu entgehen, arbeiten sich an einem Grinding-Pole in der Mitte ab. Ein paar der Kids vollführen ihre Kunststückchen mit antrainierter Beiläufigkeit, während sich die weniger athletisch Versierten abmühen, es ihnen
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