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Verscharrt: Thriller (German Edition)

Verscharrt: Thriller (German Edition)

Titel: Verscharrt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
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nicht wieder bereit, der Hitze draußen zu begegnen, kehrt O’Hara auf ihren Platz auf der Wohnzimmercouch zurück, allerdings erst nach einem Umweg über die Küche, wo sie zwei weitere Amstel holt. Wer die Hitze nicht verträgt, denkt sie, muss in die Küche flüchten.
    Als O’Hara die Wohnung betreten hat, ist ihr gleich etwas an der Wand über der Durchreiche von der Küche ins Esszimmer aufgefallen, und jetzt sieht sie, dass es sich um einen wunderschönen antiken, aus Holz geschnitzten Engel mit rosigen dicken Wangen und Grübchen in den speckigen Oberschenkeln handelt, der strategisch durchdacht in der Ecke sitzt und den gesamten Raum überblickt.
    » Siehst du den Engel? « , fragt O’Hara.
    » Irgendwie ganz süß. «
    » Ich wette, als Levins Frau kapiert hat, dass sie sterben wird, hat sie den Engel in die Ecke gesetzt, damit er auf ihren Mann aufpasst. «
    » Da kannst du recht haben. Leider hat er’s vermasselt. «

KAPITEL 28
    Sol Klinger ist niemand, der unnötig Risiken eingeht. Obwohl das Early-Bird-Special bei Sabia großzügige anderthalb Stunden lang angeboten wird, nämlich von 17 bis 18:30 Uhr, trifft er bereits um 16:45 Uhr dort ein. Als O’Hara zwanzig Minuten später reinspaziert, findet sie ihn in einer Ecke sitzend. Er ist der einzige Gast im ganzen Restaurant, knabbert ein Grissini und studiert die Speisekarte auf der Suche nach Schnäppchen.
    » Auf alte Freunde « , sagt O’Hara, nachdem ihr der Kellner ein Amstel gebracht hat.
    » Auf Bunny ›Schoolboy‹ Levin « , sagt Klinger, » der durch und durch zähste Jude, den ich je gekannt habe. « Klinger, Mitte achtzig, hat noch Haare auf dem Kopf, Energie im Leib und ein Funkeln in den Augen. In teure Stoffe gewandet und mit der Lesebrille, die er an einer goldenen Brillenkette um den Hals trägt, wirkt er wohlhabend und entspannt, was mal wieder auf fast obszöne Weise belegt, dass zwischen beidem ein Zusammenhang besteht.
    » Ich nehme an, der arme Kerl bei Sweet Tomatoes hatte keine Chance gegen Levin « , sagt O’Hara.
    » Wir reden hier nicht von einem alten Sack mit aufbrausendem Temperament « , sagt Klinger und verwirft, wild mit seinem Grissini fuchtelnd, was auch immer O’Hara verstanden haben mochte. » Wir reden von einem Jungen, der als Junior an der South Newark High School den Favoriten im Leichtgewicht geschlagen hat. Am nächsten Tag haben ihn seine Klassenkameraden auf den Schultern über den Schulhof getragen. Können Sie sich vorstellen, wie gut sich das angefühlt haben muss? Ich nicht, und ich versuch’s schon seit siebzig Jahren. «
    Klinger greift in eine Ledermappe und schiebt ein steinaltes Pressefoto über den Tisch. » Das ist von 1937 « , sagt er, » bevor religiöse Symbole im Sport verboten wurden. Bun war siebzehn. «
    Vor siebzig Jahren in einer Sporthalle in Newark geht Levin in die klassische Faustkämpferhocke. Seine muskelbepackten Arme und Beine sind bereit, in Aktion zu treten, seine umwickelten Fäuste kurz davor, zuzuschlagen. Aber wie immer ist es der Blick. Seiner ist gefühlvoll und angriffslustig zugleich, dabei aber so ruhig, dass er fast schon gleichgültig erscheint, als wollte er seinen Gegner stillschweigend wissen lassen, man könne die Angelegenheit entweder jetzt gleich im Ring oder ein anderes Mal an einer Straßenecke beilegen, ihm sei das völlig egal. Auf das Bein seiner seidenen Boxershorts ist ein Davidstern genäht, und quer über einer der unteren Ecken des Bildes steht in Schreibschrift » Bunny ›Schoolboy‹ Levin « , wobei Levin mit seinen glänzend schwarzen Haaren und den furchtlosen Augen eher wie John Garfield denn wie ein Schuljunge aussieht.
    Damals wurden Kinder schneller erwachsen, denkt O’Hara. Dann erinnert sie sich an die Szene auf dem Bild in der Galerie in Chelsea, und obwohl sie gestellt gewesen sein mochte, verwirft sie den Gedanken wieder.
    » Mit siebzehn hatte Bunny schon zwölf Profikämpfe. Drei im alten Garden, zwei in der Saint Nichols Arena in der Sixty-Sixth Street. Ich weiß das, ich hab sie alle gesehen. «
    » Und seitdem waren Sie Freunde? «
    » Freunde? Er war der Held im Viertel– ›Schoolboy Levin‹. Ich war bloß Klinger, ein echter Schuljunge. Ich bin ihm ständig hinterhergelaufen, so oft er es geduldet hat, und hab ihm geholfen. Wie die meisten Eltern hielten auch Bunnys nicht viel vom Boxen, auch wenn er damit zur Miete beigetragen hat. Also hab ich seine Sportsachen bei mir untergebracht. Unsere Wohnung lag im zweiten

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