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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edi Graf
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toleriert wurde, und wie gefährlich es für Ulla und ihn war, sich
hier aufzuhalten.
    »Die sortieren
hier den ganzen Tag. Oder schleppen das Zeug, das noch was taugt, auf den Markt.
Wir haben bei uns im Projekt einen Mitarbeiter, der das mal recherchiert hat. Es
gibt Bauern, die ihre Plantagen als Lagerstätte für alte PCs nützen, weil sie mit
dem Recycling mehr Geld verdienen als mit Jams oder Kautschuk.«
    »Aber wie
soll das funktionieren?«
    »Ganz einfach:
die Arbeitskräfte hier sind billig. Sie machen die Drecksarbeit. Ob sie dabei krepieren,
ist den Drahtziehern egal. In den letzten Jahren hat sich die Menge an E-Schrott
verdreifacht. Kein Mensch weiß, wohin mit dem Zeug. Also landet es hier. Aus Japan,
Amerika und Europa.«
    Ullas Stimme
wurde immer lauter.
    »Wir haben
dann hier die Kacke am Dampfen. Kannst du dir vorstellen, was mit den Brunnen passiert,
die wir mit Entwicklungshilfe gebaut haben, um sauberes Wasser zu bekommen? Die
Mixtur, die aus den toten PCs mit dem Regen ins Grundwasser gespült wird, macht
jeden Brunnen zur Kloake!«
    Alan nickte
stumm.
    Sie waren
jetzt bei der Gruppe Jugendlicher angelangt, die sich akribisch mit den Leiterplatinen
beschäftigten, Metall und Plastik trennten, Letzteres in das Feuer warfen, das sie
in einem alten Autoreifen geschürt hatten, und die elektronischen Kleinteile in
Schüsseln, Plastikkästen und leere Joghurtbecher sortierten. Blei, Quecksilber und
Phosphor wanderte ungeschützt durch ihre Hände, dann steckten sie die Finger ungewaschen
in den Mund, wischten sich den Rotz von der Nase und rieben sich die Augen.
    Alan mochte
sich nicht ausmalen, welche Mengen giftiger Substanzen Tag für Tag in die Mägen
der Kinder wanderten, in ihr Blut und ihre Schleimhäute. Sie verseuchten ihre Körper
zu Gunsten der Ausbeuter, die sich mit den von Hand recycelten Kleinteilen bereicherten
und sich keinen Deut um die Gesundheit der Arbeiter scherten.
    Er beobachtete,
wie die Kinder die Gummiummantelung von Kupferdrähten einfach abschmolzen, bis der
Kupferdraht im Feuer übrig blieb. Das Wasser, das zum Ablöschen des heißen Metalls
ins Feuer gegossen wurde, zischte und verdampfte in einer grünblauen Wolke aus Giftgas.
Die fünf Jugendlichen, vier Jungs und ein Mädchen sahen sie neugierig, fast feindselig
an, als sie vor dem kokelnden Autoreifen stehen blieben.
    »Hi«, sagte
Ulla und ging in die Hocke, um auf Augenhöhe mit den fünf zu sein, die entweder
am Boden hockten oder in gekrümmter Stellung auf den Ballen kauerten. Alan hielt
sich sein Schweißtuch vor Mund und Nase, er war sonst nicht sehr empfindlich, was
die herben Gerüche und Ausdünstungen Afrikas anging, doch diesen Smog wollte er
nicht ungefiltert in seiner Lunge.
    »Was wollt
ihr?«, zischte der Junge, der eine Art Anführer der Gruppe zu sein schien. »Es gibt
hier nichts zu sehen. Oder wollt ihr Kupfer kaufen?«
    Er zeigte
in den Autoreifen, wo der übergossene Kupferdraht außerhalb des Feuers abkühlte.
    »Vielleicht.
Vielleicht bezahlen wir euch aber auch für eure Worte«, sagte Ulla, und Alan bewunderte,
wie behutsam und klug sie das Gespräch begann.
    »Ich heiße
Ulla, das ist Alan.«
    »Joel. Seid
ihr aus Europa?«
    »Nein. Wir
leben in Afrika. Warum fragst du?«
    »Weil ihr
mich dann mitnehmen könntet. Ich sage euch, was ihr wissen wollt, und ihr bringt
mich dafür nach Europa. Deal?« Er streckte Ulla die offene Hand entgegen.
    »No deal«,
entgegnete sie. »Du weißt, dass das nicht geht.«
    »Und warum
nicht? Meine Schwester ist auch von Weißen nach Europa gebracht worden. Sie ist
jetzt reich und schickt uns Geld.«
    Alan wurde
hellhörig.
    »Sie schickt
euch Geld? Aber warum sitzt du dann noch hier und kratzt die Platinen aus?«, fragte
er.
    »Sie schickt
uns bald Geld«, korrigierte Joel.
    »Also habt
ihr noch keines bekommen?«
    Joel schüttelte
den Kopf.
    »Noch nicht.
Aber sie schickt welches. Sie hat es uns versprochen.«
    »Wann?«,
bohrte Alan.
    »Als sie
ging.«
    »Wann war
das?«
    »Vor einem
Jahr.«
    »Und du
weißt, dass sie in Europa gelandet ist?«
    »Ja.«
    »Von ihr?«
    »Nein. Der
Mann, der sie meinen Eltern abgekauft hat, hat es gesagt. Und er hat gesagt, dass
sie arbeitet, um die Reise abzubezahlen. Und dass sie uns Geld schickt.«
    »Was arbeitet
sie?«, fragte Ulla.
    »Weiß nicht.
Ist doch egal. Jedenfalls nicht so einen Dreck wie wir. Hier, schau!«
    Er zeigte
ihnen seine Handflächen. Die Fingerkuppen waren blutig und wund, die Hände

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