Verschlußsache Satan
glücklich waren.
Natürlich kursierten Gerüchte. Der Fahrer hatte mal kurz mit Christina darüber gesprochen. Da war die Meinung vertreten, dass hinter den Mauern wilde Sexspiele abgingen, doch Christina hatte dazu nur geschwiegen oder den Kopf geschüttelt. Sie wusste sehr genau, dass dies nicht der Fall war.
Ihre »Mitschwestern« ließen sich Zeit. Eigentlich hätten sie sich schon längst auf den Weg machen müssen, denn das Ziel im Wald sollte zwischen Mitternacht und dem Ende der ersten Stunde des Tages erreicht werden.
Christina wusste nicht, wo der Ort lag. Jedenfalls versteckt und für fremde Personen nicht so leicht zu finden.
Es wurde immer kälter. Frostige Temperaturen brachte diese Höhe noch im März. Das Kloster lag zwar nicht besonders hoch in der Nähe einer Skiregion, trotzdem war der Schnee des Winters noch längst nicht weggetaut. An den Nordhängen hielt er sich noch immer. In der Dunkelheit sahen die Flächen aus wie graue, leicht angeschmutzte Riesenspiegel.
Der schmale Pfad hatte durchaus den Namen Hohlweg verdient. Zu beiden Seiten rahmten ihn steile Böschungen ein, wobei die Fläche, auf der sich Christina versteckte, nicht so steil war wie das Gegenüber. Hier hatten sich die mächtigen Wurzeln der Bäume regelrecht in das graue Gestein hineingefressen. Manche wuchsen sehr schief. Andere hatten erst gar nicht ihre normale Höhe erreicht, weil ihnen die Luft zum Leben von den anderen genommen worden war.
Es war eine wilde, karge, manchmal auch unwirtliche Gegend, in der sich Menschen kaum wohlfühlten. Es sei denn, man verkroch sich in ein altes Kloster.
Die 32jährige hatte sich an die Geräusche der Nacht gewöhnt. Es war nie ganz still. Geräusche gab es immer, wenn die Tiere der Nacht unterwegs waren.
Zu sehen waren sie nicht, nur zu hören. Selbst die Raubvögel fielen ihr nicht auf. Hin und wieder hörte sie das heftige Schlagen irgendwelcher Schwingen und vernahm auch die leisen Schreie der Beutetiere in ihrer Nähe, zumeist Mäuse.
Dort, wo sie hockte, lag keine geschlossene Schneedecke mehr. Nur einige Inseln waren noch zurückgeblieben. Sie hatten auf dem Boden nasse Flecken hinterlassen und die Erde aufgeweicht.
Es war ein guter Platz. Von hier oben aus konnte sie auf den schmalen Weg hinabblicken. Auch wenn jemand in die Höhe schaute, war sie nicht so leicht zu entdecken, da ihr Bäume und Strauchwerk den nötigen Schutz gaben.
Nur nicht gegen den Wind.
Der fand immer eine Lücke, um seinen kalten Hauch gegen das Gesicht der Frau zu wehen. Vor der Nacht hatte sich Christina nie gefürchtet. Jetzt tat sie das zwar auch nicht, doch ihr war schon mulmig. Dabei war die Nacht normal. In zwei Tagen würde der Mond ganz rund sein. Jetzt sah er noch etwas angedrückt aus, aber sie mochte seine Farbe nicht. Er sah so kalt aus und strahlte in einem sehr hellen Gelb.
Handschuhe hatte sie vergessen. Deshalb steckte sie die Hände des Öfteren in die weiten Ärmel der Kutte, um ihnen zumindest etwas Wärme zu geben.
Noch hörte sie nichts, auch wenn sie sich hin und wieder aufrichtete, um zu lauschen. Zum Glück war der Stoff der Kutte recht dick. Er hielt einen großen Teil der Kälte ab. Aber sie wollte nicht die gesamte Nacht hier verbringen. Einmal musste Schluss sein. Wenn die Frauen bis zum Ende der ersten Tagesstunde nicht erschienen waren, würde sie wieder in die Wärme hinter den Mauern zurückkehren.
Warum sich die Frauen die Haare abrasiert hatten, war ihr ebenfalls unbekannt, wie so vieles andere, was das Leben der seltsamen Nonnen anbetraf. Sie hatte nicht danach gefragt. Man hatte auch nicht von ihr verlangt, sich ebenfalls die Haare abschneiden zu lassen. Sie hätte sich auch geweigert.
Plötzlich horchte sie auf.
Fremde Geräusche.
Diesmal nicht von Tieren verursacht, denn was sie hörte, war das Schleifen und Auftreten von Füßen. Und das aus Richtung des Klosters, wo der Weg hinter einer scharfen Rechtskurve verschwand, bevor er an der Pforte endete.
Christina hielt den Atem an. Sie wollte sich voll und ganz konzentrieren und sich auch nicht durch die Geräusche der Nacht ablenken lassen.
Ja, sie kamen.
Sehr deutlich waren ihre Schritte zu hören. Der Weg führte vom Kloster her steil nach unten. Man konnte ihn nicht normal gehen. An einigen Stellen musste man schräg gehen, um die Gefahr des Rutschens zu vermindern.
Jetzt spürte die Wartende die Kälte nicht mehr. Die Spannung hatte zugleich die Wärme mit in ihren Körper zurückgebracht.
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