Verschlußsache Satan
beredt genug. Sie starrten nur Christina an und schienen sie mit ihren Blicken foltern zu wollen.
Der Puls der jungen Frau begann zu rasen. Sie hatte das Gefühl, von einem Schwindel erfasst zu werden. Sie stützte sich am Brunnenrand, um ein Nachgeben der Beine zu vermeiden.
Die fünf Frauen hatten die gleiche Entfernung zu ihr eingenommen. Sie warteten, ohne ein Wort zu sprechen. Sie erinnerten an Wächterinnen, die einen Schatz hüteten, und Christina wusste, dass sie aus dieser Umzingelung nicht herauskam.
Trotzdem riss sie sich zusammen. Sie war kein ängstlicher Teenager mehr, sondern eine junge Frau, die genau wusste, welchen Weg sie zu gehen hatte.
Christina lachte. Lachen ist immer gut. Lachen entspannt. Darauf baute sie auch hier. Aber es gab keine, die das Lachen erwidert hätte. Sie blieben stumm, und sie starrten weiterhin. Christina fühlte sich von ihren Blicken durchbohrt und bis auf den Grund ihrer Seele ausgelotet.
Reden, schoss es ihr durch den Kopf. Du musst reden! Du musst sie ablenken. Vielleicht hast du dann noch eine Chance. Auf jeden Fall musst du es versuchen. Sie in Sicherheit wiegen und dann die Flucht versuchen.
Sie wollte nicht mehr wissen, was es mit dem alten Brunnen im Wald auf sich hatte. Das war ihr alles egal. Wichtig war nur, ihr Leben zu retten. Zwar hatte sie sich von ihren Mitschwestern nie direkt bedroht gefühlt, doch eine Distanz zwischen ihr und den anderen war immer geblieben.
Wieder lachte sie. Aber diesmal sprach sie auch. »Einen netten alten Brunnen gibt es hier im Wald. Toll, wirklich. Etwas anderes kann ich nicht sagen. Oder...«
Sie schwiegen.
»He, warum sagt ihr nichts?«
Die Frauen blieben stumm.
Christina ärgerte sich, weil ihre Stimme so fremd geklungen hatte. Die anderen Frauen mussten genau gehört haben, wie sie sich fühlte. Das passte ihr nicht. Sie wollte sich keine Blöße geben, und sie wollte auch nicht so angestarrt werden wie eine Delinquentin kurz vor der Hinrichtung.
Aus den kalten Augen leuchtete ihr tatsächlich der Tod entgegen. Okay, das konnte sie sich einbilden, aber sie spürte sehr deutlich die Aura der Gnadenlosigkeit, die von den fünf Frauen abströmte. Besonders Martha behielt sie hart im Blick.
»Ja, gut, ihr habt mich gefunden.« Christina sprach jetzt nur, um das verdammte Schweigen zu brechen. »Ich bin in den Wald gegangen, weil ich nicht schlafen konnte. Ich wollte einen Spaziergang unternehmen. Außerdem seid ihr auch aus dem Kloster gegangen. Da wollte ich nicht hinten anstehen.«
»Was wolltest du wirklich?«, fragte Martha.
Obwohl die Worte mit einem drohenden Unterton gesprochen worden waren, atmete Christina zunächst auf, denn endlich hatte eine der Frauen etwas gesagt.
»Nur die Nacht genießen.«
»Bei dieser Kälte?«, höhnte Martha, und die anderen begannen leise zu lachen.
»Meine Kutte hält warm. Ebenso wie eure. Es ist doch nicht verboten, in der Dunkelheit einen Spaziergang zu machen. Ich stecke schließlich nicht in einem Gefängnis.«
»Du bist neugierig gewesen!«
»Ja, das war ich auch.« Christina dachte, dass lügen keinen Sinn hatte. »Ich bin tatsächlich neugierig gewesen. Ich wollte wissen, wohin ihr geht.«
»Und jetzt weißt du es.«
»Natürlich. Ihr habt hier einen Brunnen und...«
»Wer hat dich geschickt?«
Die Frage traf Christina unvorbereitet. Ihre Antwort erfolgte spontan. »Wieso geschickt? Wer sollte mich denn auf den Spaziergang geschickt haben?«
»Du gehörst nicht zu uns.«
»Das habt ihr mich merken lassen.«
»Man hat dich zu uns geschickt. Dabei bleibe ich. Du bist eine Spionin.«
Christina sagte nichts. Sie... sie weiß alles, schoss es ihr durch den Kopf. Verdammt, sie und die anderen Frauen müssen es von Beginn an gewusst haben. Sie haben mir etwas vorgespielt. Sie waren immer informiert und sind es auch jetzt.
»Warum sagst du nichts? Warum bleibst du nicht bei der Wahrheit?«
Christina versuchte es wieder mit einem Lachen. »Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Tut mir Leid. Ihr seid auf dem Holzweg. Wer sollte mich geschickt haben?«
»Es gibt genügend Feinde, die uns hassen. Wir haben lange Zeit Ruhe gehabt, die wir auch brauchten. Und wir werden diese Ruhe wieder zurück erhalten, das schwöre ich dir. Du wirst nicht mehr dazu kommen, etwas auszuplaudern, Christina. Wir haben dich an der langen Leine laufen lassen, doch jetzt ist Schluss. Die Verschlusssache Satan steht kurz vor dem Abschluss. Wir lassen uns nichts mehr kaputtmachen. Hast
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