Verschollen in der Pyramide
für deine Hilfe, du bist ein guter Mensch. Beim Totengericht wird dein Herz so leicht wie eine Feder sein. Du bist im Jenseits sicher willkommen.«
»Ich wünsche, dass dein kleiner Bruder gesund wird«, sagte die Heilerin. »Ich gebe dir ein Amulett, es wird dich und deine Familie schützen. Mit Bes’ Hilfe könnt ihr Hatu vielleicht retten.«
Setha begleitete die Heilerin vor die Tür und bedankte sich für die Hilfe. Im Haus betrachtete sie aufmerksam den kleinen Gott. Bes, der Beschützer der Familie und der Schwangeren, starrte sie mit grässlicher Fratze und heraushängender Zunge an. Wenn sie auch nicht sicher war, ob sie Bes als ihren Schutzgott wählen würde, legte sie das Amulett doch neben Hatus Kopf.
Als Meketre mit Wasser vom Dach kam, stellte Setha erschrocken fest, dass Tamit noch nicht da war.
»Bei Re, wo steckt Tamit denn bloß?«
»Ich gehe ihn suchen«, bot Meketre an. »Mach dir keine Sorgen, es ist ja nicht das erste Mal, dass er so spät noch draußen rumstreunt.«
Während Meketre die Hütte verließ, riss Tala Lappen von einem großen Tuch ab, dann brühte sie für Nebet und Setha einen Beruhigungstrunk auf und übernahm die erste Wache an Hatus Bett. Sie brachte Lappen, Gefäße unddie Schnabeltasse in den Schlafraum und umwickelte Hatus Arme und Waden mit den Tüchern. Immer wieder hob sie seinen Kopf und führte die Tasse an seine Lippen. Hatu öffnete seinen Mund nicht. Tala sprach auf ihn ein, benetzte immer wieder seine Lippen mit Wasser, aber Hatu rührte sich nicht.
Nach einer Weile löste Setha sie ab. Sie nahm Hatu auf den Arm und wiegte ihn hin und her. »Wir haben Zeit, mein Kleiner, wir haben noch die ganze Nacht Zeit.« Setha schmiegte ihren Kopf an Hatus Wange und summte ein Wiegenlied.
Sie schreckte hoch, als Tamit plötzlich in der Tür stand und aufgeregt rief: »Heqanacht fängt Katzen und Kobras. Ich habe ihn draußen beobachtet.«
»Den Göttern sei Dank, dass du endlich da bist. Was sagst du über Heqanacht?«
Setha legte Hatu sacht auf die Matte und hörte erstaunt, was Tamit zu erzählen hatte: »Die Katzen hat er in einen Sack gestopft und in einem Verschlag versteckt. Dann ist er ein Stück in die Wüste gegangen und hat Kobras gejagt. Es war grausig zu sehen, wie er ihnen den Giftzahn herausgebrochen hat. Mehr habe ich nicht erkennen können, weil es so dunkel war.«
Setha verzichtete darauf, ihren kleinen Bruder wegen seines Leichtsinns zu rügen. Stattdessen fragte sie Meketre, was er von der Geschichte hielt. Der schüttelte nur den Kopf.
Tala, Meketre und Setha wechselten sich die ganze Nacht hindurch mit der Wache an Hatus Bett ab. Als sich am Himmel der Morgen mit hellen Streifen ankündigte und Setha gerade die Augen zugefallen waren, schrie Tala plötzlich aus der Kammer nebenan: »Hatu ist aufgewacht und will trinken. Kommt schnell!«
Setha und Meketre liefen in den Schlafraum, wo Hatu auf seiner Matte saß und nach Wasser verlangte. Setha eilte mit der Schnabeltasse herbei und setzte sie an Hatus Mund. Der kleine Junge trank wie ein Verdurstender. Hatu schaute Setha und Tala aufmerksam an und murmelte ihre Namen, bis er wieder einschlief.
Setha und Meketre traten vor die Tür und atmeten tief die kühle Luft ein.
»Ich weiß nicht, wie ich den Göttern für Hatus Rettung danken soll«, sagte Setha. Dicke Tränen liefen über ihre Wangen.
Meketre nahm ihre Hand. »Bes hat die bösen Geister von Hatu abgewendet. Jetzt müssen wir ganz fest daran glauben, dass uns Talas Isis-Amulett in der Pyramide hilft.«
6
S etha und Meketre näherten sich der Pyramide vorsichtig von der Nordseite. Den beladenen Esel hatten sie, versteckt zwischen hohem Schilf und Papyrusgräsern, an einer Palmengruppe angebunden. Die beiden Grabwächter dösten auf ihre Lanzen gelehnt zu beiden Seiten des Pyramideneingangs. Sie fuhren hoch, als sie Setha und Meketre kommen hörten. »Was wollt ihr hier?«, fragte der größere der beiden Wächter unfreundlich. Sein Gesicht bestand vor allem aus einer riesigen Hakennase. Der andere glotzte Setha mit unverhohlener Neugier und Bewunderung an. Setha nahm ihren ganzen Mut zusammen, um nicht zu stottern. Doch als sie die beiden bat, in der Pyramide nach ihrem Vater suchen zu dürfen, schauten sie sie entgeistert an.
»Bist du von Sinnen!«, bellte die Hakennase. »Wie kommst du auf den Gedanken, dass wir euch in das Ewige Haus hineinlassen! Da dürfen nur noch Baumeister und einige wenige Handwerker hinein. Außerdem haben
Weitere Kostenlose Bücher