Verschwoerung der Frauen
eher einen starken Magen brauchte, bemühte sich aber, erfreut über ein so mannhaftes Kompliment zu erscheinen. Sie schob das Tablett mit Eis, Whisky und Pistazien in seine Reichweite und lehnte sich zurück, um ihm zu lauschen.
»Neunzehnhundertsiebenundsiebzig«, begann Hansford, als hielte er eine Vorlesung vor einem Saal voller Studenten, zumindest aber vor einer Gruppe faszinierter Bewunderer, »war das Foxx-Jahr. Das Interesse in den literarischen Kreisen schwappte über auf die populä-
re Presse. Emmanuel Foxx war fünfundzwanzig Jahre tot und sein Meisterwerk ›Ariadne‹ (erstaunlich, nicht wahr?) vor fünfzig Jahren erschienen. Runde Zahlen«, Hansford fiel jetzt in einen leicht he-rablassenden Ton, »vermitteln Menschen ein gewisses Sicherheitsge-fühl. Überall in England und von Toronto bis Texas wurden Seminare über Foxx’ Œuvre abgehalten.«
Kate nickte ermutigend. Sie hatte sich mit diesen Tagungen beschäftigt und wußte, daß deren Teilnehmer zu zwei Kategorien ge-hörten – so wie auch von Anfang an die Leser von ›Ariadne‹: Zum einen die männlichen Literaturwissenschaftler, die Foxx als Vertreter der klassischen Moderne in der Tradition von Pound, Eliot und Joyce betrachteten, und zum anderen Frauen, die in Foxx den Darsteller weiblichen Bewußtseins sahen. Dabei waren einige dieser Frauen der Ansicht, Foxx’ Darstellung beschränke sich auf die männliche Sicht weiblichen Bewußtseins, andere wiederum waren davon überzeugt, er habe die männliche Sicht überwunden und sei zu einer wahren Einsicht in die weibliche Seele und das weibliche Herz gelangt. Im ersten Lager gab es auch einige Frauen (im Lager der Männer gibt es immer Frauen), und es gab einige wenige Männer im Frauenlager (manchmal finden sich eben auch ein paar mutige Männer). Daß die Männer im Lager der Frauen mit größerem Mißtrauen aufgenommen wurden als die Frauen in dem der Männer, spiegelte lediglich ganz allgemein das Verhältnis zwischen Mächtigen und weniger Mächtigen wider. All das erwähnte Kate natürlich mit keinem Wort, sondern behielt lediglich ihren interessierten Blick bei.
»Während der ersten Dekaden nach dem Erscheinen von ›Ariad-72
ne‹«, hob Hansford wieder an, nachdem er sich eine Pause gegönnt hatte, um einen Schluck zu trinken und eine Handvoll Pistazienkerne zu kauen, »versuchten mehrere Literaturwissenschaftler, Emmanuels Frau, Gabrielle, zu interviewen. Sie schickte alle fort, sowohl in Paris wie auch später in London. Offenbar hatte sie ihre Vermieterin bestochen, niemanden vorzulassen. 1955 wurde sie krank, erlitt eine Herzattacke oder einen Gehirnschlag, irgend etwas in der Richtung.
Sie wurde in einem Pflegeheim untergebracht und war damit für niemanden mehr erreichbar. Es ging das Gerücht um, daß niemand –
weder ihre Enkelin noch die Familie, mit der sie durch Emiles Heirat verwandt war – ihr noch einen zusammenhängenden Satz entlocken konnte. Irgendein besessener und gewissenloser Literaturwissenschaftler ließ sich von journalistischen Praktiken inspirieren und verschaffte sich durch Bestechung Zugang zu dem Pflegeheim, um die Akten einzusehen – in der Hoffnung, zu erfahren, wer Gabrielle im Pflegeheim besucht hatte.«
Nun erhob sich Hansford und begann, im Zimmer auf und ab zu schreiten, so wie er es zweifellos auch im Hörsaal tat. Seine Körpersprache signalisierte die Gewißheit, daß er sein Publikum von seiner Geschichte gefesselt wußte, und mit seinem gewichtigen Auf- und Abschreiten schien er ihr noch mehr Dramatik verleihen zu wollen.
Kate, die bei ihren Vorlesungen nie auf und ab ging, beobachtete ihn mit ernsthafter, gespannter Miene.
»Von einigen Personen war natürlich bekannt, daß sie Gabrielle in dem Pflegeheim besucht hatten«, teilte Hansford Kate mit, deren Wenigkeit für einen ganzen Hörsaal voller Studenten herhalten muß-
te. »Aber sie hatte noch weitere Besucher: nämlich Anne Gringold –
eine Jugendfreundin von Nellie, Gabrielles Enkelin. Ferner besuchte sie noch irgendein Neffe. Dem Eindringling gelang es schließlich, mit beiden zu sprechen, aber er ging mit so wenigen Informationen wieder fort, daß er nicht einmal einen kleinen Zeitschriftenartikel daraus machen konnte. Selbst seiner abgestumpften Wahrnehmung war nicht entgangen, daß sowohl der Neffe wie auch die Freundin der Enkelin es meisterhaft verstanden, sich in Nebelwolken zu hüllen: Sie gaben sich hochkooperativ, sagten aber im Grunde gar nichts.«
Kate
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