Verschwoerung der Frauen
Sparsamkeit war eben ihre Leidenschaft. Als Dorinda wollte, daß ich bei ihnen lebte, ergriff Eleanor die Gelegenheit sozusagen beim Schopfe – obwohl sie es so darstellte, als habe Dorinda nur wieder einmal ihren Kopf durchgesetzt. Ich habe kein einziges Wort an dem Memoir verändert, als ich die Wahrheit erfuhr. Und hätte ich sie schon vorher gewußt – meine Schilderung wäre keinen Deut anders ausgefallen. Ich glaube, das ist eine gute Lektion für das Schreiben von Biographien. Letzten Endes sind Tatsachen gar nicht so wichtig.«
»Ich fürchte, meine Rolle besteht darin, aufdringliche Fragen zu stellen«, sagte Kate. »Aber Sie sagen, Ihre Mutter habe Ihnen einen hübschen Batzen hinterlassen; Nellie hat mir erzählt, Sie seien ziemlich knapp bei Kasse. Hübsche Batzen sind natürlich relativ, aber sagte Nellie die Wahrheit?«
»Sie übertreibt ein wenig. Ich lebe mit Len zusammen – dem aus dem Memoir. Er war mit jemand anderem verheiratet, aber es ging 130
auf Dauer nicht gut. Er hat nur eine kleine Rente, und wir machen gern teure Urlaubsreisen. Außerdem kommt er gern mit, wenn ich auf Geschäftsreisen gehe. Ich glaube, Nellie wollte Sie mit ihrer Bemerkung nur anspornen, Gabrielles Papiere zu veröffentlichen.
Nun, wenn Sie sich dazu entschließen, wird mir das zusätzliche Geld tatsächlich sehr willkommen sein. Auch Nellie kann es gut gebrau-chen, nicht, daß sie es dringend nötig hätte, aber ihr Gehalt ist nicht allzu hoch, und ihr Mann verdient sehr wenig mit seinen Büchern.
Wir alle hoffen, daß Sie Lust haben, die Papiere zu veröffentlichen.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich noch einmal mit Dorinda spreche, ehe ich mich entschließe, mit Ihnen nach London zu fahren?«
»Treffen Sie sich mit Dorinda, so oft Sie wollen. Im Grunde müssen Sie auch gar nicht mit nach London. Ich könnte hinfliegen und die Papiere schicken. Aber mir wäre es lieber, Sie kämen mit.«
»Wenn ich bei diesem ziemlich verrückten Plan mitspiele, komme ich auch mit«, sagte Kate. »Schließlich habe ich mir das ganze Jahr freigenommen, und wofür, frage ich Sie, wenn nicht, um ein wenig von der Welt zu sehen? Außerdem bin ich wirklich wild auf diese Papiere – ich verzehre mich förmlich danach, könnte man sagen. Also fahre ich mit.«
Anne erhob sich, um zu gehen. »Es war ein wunderschöner Nachmittag. Und wunderschön, Sie kennenzulernen, wie die Gouvernante im Lied zu den Kindern des Königs von Siam sagt. Wir drei haben das als Kinder zusammen gesehen.« Anne begann zu kichern.
»Mir fällt gerade ein, was Dorinda sagte, als ich ihr erzählte, daß Sig mein Vater sei. Aha, sagte sie. Ich hätte es erkennen sollen – an dem verwünschten Zug in deinem Auge und dem albernen Hängen deiner Unterlippe. Wir hatten ›Heinrich IV‹, Teil I in der Schule gelesen.
Natürlich haben Dorinda und ich uns ausgemalt, wie er meine Mutter verführte, die ihm in seinem Haus oder bei Freunden über den Weg gelaufen sein muß. Aber man braucht nicht viel Phantasie, um es sich vorzustellen. Er war ein Schwerenöter, und noch dazu ein sehr charmanter, und meine Mutter muß einige tiefe Sehnsüchte gehabt haben, die sie nur zum Teil unterdrücken konnte. Das fiel mir ja auch auf, als sie tanzte. Ich habe sie nie gemocht – und ich glaube, auch sie mochte mich nicht besonders, aber ich bewunderte sie. Ich bin froh, daß ich sie tanzen sah.«
Kate begleitete Anne zur Tür und versagte sich die vielen Fragen, die sie noch hatte. Eigentlich war es sehr erstaunlich, wieviel Ver-131
trauen die drei zu ihr hatten. Und da die Freundinnen so fest entschlossen waren, sich und Gabrielle eine zweite Chance zu geben und Kate als ihr Mittel zum Zweck auserkoren hatten, gab es keinen Weg zurück. Sie würde Dorinda noch einmal treffen und vielleicht –
aus reinem Vergnügen und weil sie womöglich nicht mehr lange die Gelegenheit dazu hatte – auch Eleanor. Danach würde sie mit Anne nach London reisen. Und dann? Nun, ihr Entschluß stand fest: Entweder würde sie tun, was die drei ihr vorgeschlagen hatten, oder überhaupt nichts. Die Geschichten, die sie von ihnen gehört hatte, blieben ihr Geheimnis.
Daß die drei ihr vertrauten, bewies ihr gutes Gespür, und deshalb war Kate ihnen natürlich zugetan. Daß Stück für Stück noch ganz andere Geheimnisse ans Tageslicht kommen könnten, war nicht auszuschließen. Aber wenn man sich einmal entschlossen hat, jemandem zu vertrauen, muß man auch dabei bleiben. Und solange
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