Verschwörung der Sieben
das Stück bis zur Straße. Dort bot sich ihr ein noch schrecklicherer Anblick. Die Oase war eine einzige Feuersbrunst, die Flammen schienen sogar ständig an Kraft zuzunehmen. Rauchwolken bedeckten den Himmel, als sei eine Gewitterfront heraufgezogen. Der Qualm drang ihr beißend in Nase und Kehle und brachte den Geruch von Tod mit sich.
Karen fing an zu zittern. Von McCracken und den anderen war nirgends etwas zu sehen. Hatten sie sich zum Zeitpunkt der Explosionen noch in der Oase aufgehalten? Hatten die Detonationen sie zerschmettert?
Sie kehrte zum Wagen zurück. Wenn einer aus der Gruppe überlebt hatte, würde er sich bestimmt zum Wagen durchschlagen. Karen hoffte insgeheim, Blaine wäre schon beim Lieferwagen, wenn sie jetzt dort ankam, und würde voller Sorge nach ihr Ausschau halten.
Aber ihre Hoffnung wurde enttäuscht. Der Wagen war genauso leer, wie sie ihn zurückgelassen hatte. Die Luft fühlte sich bereits spürbar wärmer an. Karen warf die Arme um sich, weil das Zittern einfach nicht aufhören wollte. Die Sekunden vertickten und wurden zu Minuten. Niemand trat aus dem Wald, und auch auf der Straße zeigte sich kein Mensch. Nur Sirenen ertönten aus der Ferne und näherten sich langsam dem Park. Der Qualm legte sich bereits über die Wipfel und versperrte endgültig die Sicht auf das Inferno in der Oase. Karen setzte sich in den Lieferwagen.
Plötzlich raschelte es im Wald. Sie drehte das Fenster herunter und sah Blaine an der Spitze der kleinen Truppe.
»Verzeihen Sie bitte, meine Herren, daß ich Sie so lange habe warten lassen«, erklärte der Reverend, als er den Raum betrat, in dem die Sieben zu ihren Versammlungen zusammenzukommen pflegten. Seine Stimme wurde leise von den Wänden des großen Saals zurückgeworfen. Er schritt durch den Mittelgang an Kirchenbänken vorbei, die allesamt leer waren. Harlan hatte den Versammlungssaal in Form einer Kathedrale errichten lassen, komplett mit Fresken, Heiligenstatuen und bunten Kirchenfenstern, die von hinten beleuchtet wurden. »Es war mir leider nicht möglich, früher zu erscheinen«, fuhr er fort, »doch dafür bringe ich um so bessere Neuigkeiten.«
Frye hatte mittlerweile das Podium erreicht und stieg die fünf Stufen hoch. Noch nie waren die Bänke in dieser Halle vollbesetzt gewesen, doch der Reverend konnte sich schon sehr genau den Tag vorstellen, an dem es hier von Gläubigen wimmeln würde. Bislang waren die vier Männer, die hier auf der Empore auf ihn warteten, die einzigen, die das Privileg genossen, diesen Raum mit ihm zu teilen. Sieben Stühle standen um den schweren, handgeschnitzten Mahagonitisch, doch seit nunmehr zwei Jahren waren nie mehr als fünf davon besetzt gewesen.
»Wird auch höchste Zeit, daß Sie uns einmal etwas Erfreuliches mitzuteilen haben«, knurrte Tommy Lee Curtisan, der wie üblich die Daumen in die Weste seines dreiteiligen weißen Designeranzugs geschoben hatte. Tommy Lee hatte die Bewegung ›Rechter Weg‹ ins Leben gerufen, eine fünf Millionen Mitglieder zählende fundamentalistische Evangelistenkirche, zu deren Hauptziel es gehörte, landesweit Wahlgänge in ihrem Sinne zu beeinflussen. Er war fünfzig, und sein Haar stand dem Weiß seines Anzugs in nichts nach. Tommy Lee reiste zu politischen Versammlungen und war dort zu einer echten Attraktion geworden, wenn er flammende Reden für oder gegen den jeweiligen Kandidaten hielt. Er genoß diese Auftritte sehr, denn hier fand er das öffentliche Forum, auf dem er seine Ideen verbreiten konnte.
»Und ich hoffe, daß Sie uns bald das Ende der Problem verkünden können, auf die wir immer wieder stoßen«, brummte ein dürrer, bleicher Mann mit einem Schnurrbart, der auf den Namen Arthur Burgeuron hörte. Er verlegte den monatlich erscheinenden Rundbrief Apocalypse Now, und seine Abonnenten setzten sich ausschließlich aus den radikalsten fundamentalistischen Kräften zusammen, für die allesamt der Untergang der Welt längst beschlossene Sache war. Für sie ging es, neben der Frage, wann dieses Ereignis denn nun einträfe, nur noch darum, wie die gesegneten Überlebenden am besten beim Wiederaufbau der Zivilisation zu Werke gehen sollten. Seine Anhänger bereiteten sich in Lagern in der Wildnis auf ihre Aufbauarbeit vor und hatten sich schon bei über einem Dutzend Gelegenheiten an irgendeinem Ort versammelt, um dort den Untergang der Menschheit abzuwarten, der wieder einmal von jemandem für einen bestimmten Zeitpunkt vorausgesagt worden
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