Verschwörung im Zeughaus
der Sache heraus», fügte Tilmann hinzu. «Zumindest, solange wir ihm keinen Anlass für das Gegenteil geben.»
Empört machte sich Adelina von Neklas los. «Sieht es etwa so aus, als hielte er sich heraus? Neklas, er hat mir offen und vor allen Leuten gedroht! Dabei hat er sogar nicht ausgeschlossen, unsere Kinder als Druckmittel zu benutzen. Wir dürfen sie nicht dieser Gefahr aussetzen! Der Allmächtige allein weiß, was Haich vorhat. Was, wenn er Colin und Katharina einsperren lässt, nur um –»
«Adelina, beruhige dich», unterbrach Tilmann sie. «Haich wird nichts dergleichen tun.»
«Ach nein? Wie kannst du dir da so sicher sein? Es wäre nicht das erste Mal, dass man Kinder einsperrt, um ihre Eltern zu einem Geständnis zu zwingen.»
«Nicht hier in Köln», widersprach er.
«Eines ist jedenfalls sicher», konstatierte Neklas und ergriff erneut Adelinas Arm, ohne auf ihre Gegenwehr zu achten. «Der Vogt hat genau das erreicht, was er vermutlich wollte: Er hat Zwietracht zwischen euch gesät, indem er euch – uns – gegeneinander ausspielt. Die Frage wird sein: Lassen wir das zu? Adelina, würdest du deinen Bruder verraten, um unsere Familie zu schützen?»
Adelina starrte ihn lange wortlos an, dann senkte sie den Blick. «Das ist eine gemeine Falle. Ich kann mich doch nicht zwischen meinem Bruder und meinen Kindern entscheiden! Tilmann ist ebenso meine Familie wie du und Katharina und Colin und Griet und …» Sie seufzte resigniert. «Bedeutet das, wir dürfen jetzt bezüglich Christine keine kritischen Fragen mehr stellen?»
«Nein.» Tilmann schüttelte vehement den Kopf. «Wenn sie tatsächlich etwas mit dem Mord an Clais zu tun hat, will ich der Erste sein, der sie dafür zur Rechenschaft zieht. Wir müssen lediglich vorsichtiger vorgehen und sollten zunächst mit niemandem mehr über unseren Verdacht sprechen.»
«Das wird es uns nicht leichtmachen, überhaupt noch etwas herauszufinden», gab Adelina zu bedenken.
«Uns wird schon etwas einfallen», sagte Neklas ruhig, aber bestimmt. «Wir müssen uns nur genau überlegen, was …» Er stockte, als die Tür aufging und Vitus und Colin hereingestürmt kamen. Beide trugen Eimer, die randvoll mit Holzscheiten gefüllt waren.
«Guck, Lina, wir haben mit Ludowig Holz gehackt!», rief Vitus fröhlich. «Und jetzt haben wir Hunger.»
«Ja, wirklich», betätigte Colin. «Ich könnte einen ganzen Schinken verdr…» Als er Tilmann sah, brach er ab und machte große Augen. Dann stieß er einen Freudenschrei aus. «Onkel Tilmann!» In seine Augen trat ein Strahlen. «Bist du wieder gesund?» Mit wenigen Schritten war er bei seinem Onkel und hätte ihn umarmt, wenn Tilmann ihn nicht freundlich, aber bestimmt abgewehrt hätte.
«Guten Tag, Colin», antwortete er lächelnd. «Wie ich sehe, hilfst du dem Knecht fleißig. Das ist gut.» Er strich dem Jungen über den schwarzen Haarschopf. «Du darfst niemandem sagen, dass ich hier bin.»
Colins breites Grinsen verflüchtigte sich. Mit ernster Miene nickte er. «Klar, Onkel Tilmann. Ich sag niemandem etwas. Sonst stecken sie dich ins Gefängnis, nicht wahr? Das will ich nicht. Du hast doch nichts Böses getan.» Der Junge blickte kurz zu Adelina. «Mama und Papa haben das gesagt. Warum wollen sie dich trotzdem einsperren?»
Tilmann hob die Schultern. «Weil es im Augenblick leider für alle anderen so aussieht, als hätte ich etwas Schlimmes getan. Solange wir nicht das Gegenteil beweisen können, muss ich mich versteckt halten.»
«Von mir erfährt keiner was», wiederholte Colin.
«Von mir auch nicht», bekräftigte Vitus. «Lina, kann ich einen Apfel haben? Ich habe solchen Hunger!»
Adelina nickte ihrem jüngeren Bruder zu. «Ja, nimm dir einen Apfel und auch ein Stück Brot aus dem Korb im Regal, wenn du möchtest.»
Vitus Miene hellte sich auf. Er schnappte sich Apfel und Brot und verzog sich auf die Ofenbank, wo ihm sogleich Fine und Moses Gesellschaft leisteten, die einen Anteil am Essen erhofften.
«Aber du bist wenigstens wieder gesund», hakte Colin noch einmal nach und musterte seinen Onkel eingehend.
«Nun ja, auf einen Zweikampf möchte ich es derzeit lieber noch nicht ankommen lassen», antwortete Tilmann. «Es geht mir etwas besser, aber die Wunden werden noch ein Weilchen brauchen, ehe sie ganz verheilt sind.»
«Wer ist das gewesen, Onkel Tilmann? Wer wollte dir etwas antun?»
«Wenn wir das nur wüssten», erwiderte Adelina an Stelle ihres Bruders.
Tilmann nickte ihr zu.
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