Verschwörungsmelange
mache.«
»Das wäre unter Umständen sehr hilfreich.«
»Nein, nein, lieber Freund, diesmal ohne mich.«
»Du kannst es dir ja überlegen«, beruhigte ihn Leopold. »Aber
jetzt sag mir einmal, warum du nicht zu der Versammlung der ›Freunde der
Eintracht‹ gekommen bist. Ich habe geglaubt, du würdest dich als Mitglied in
dieser schwierigen Situation besonders für deinen Verein einsetzen.«
Korber war einen Augenblick unschlüssig, überlegte, was er
sagen sollte. Dann zeigte er auf den eingeschalteten Computer und die Bücher
auf seinem Arbeitstisch. »Die Schule«, sagte er. »Ich hab eine Menge
vorzubereiten.«
Leopold fiel die relative Unordnung erst jetzt auf. »Du bist
auch nicht mehr der Jüngste«, meinte er kopfschüttelnd. »Früher hättest du dich
von so etwas nicht aufhalten lassen.«
»Ich weiß, ich weiß.« Korber machte einen fahrigen, nervösen
Eindruck. Irgendetwas bekümmerte ihn.
Leopold bemerkte diese innere Unruhe. Er ging zum Computer,
schaute auf den Bildschirm, musterte mit einem kurzen Blick das Durcheinander
auf dem Schreibtisch. »Lyrik«, konstatierte er anerkennend. »Gedichte. Schön,
sehr schön. Aber noch lange kein Grund, ein wichtiges Treffen der Mitglieder
deines Vereins in unserem Kaffeehaus zu versäumen. Du mit deiner Routine! Da
macht man ›klick‹ und ›klick‹ und ›klick‹, und fertig ist die Vorbereitung. So
haben wir nach einem Heurigenbesuch doch gemeinsam schon die besten Stunden
hervorgezaubert.«
»Es muss … ein bestimmtes Gedicht sein«, entfuhr es Korber.
»Ein romantisches Gedicht. Nicht zu kurz, nicht zu lang. Eins ohne eindeutige
Zueignung an eine Person. Eins, das sich leicht lernen und aufsagen lässt. Und
… ich finde es nicht.«
»Du siehst müde aus«, stellte Leopold fest.
»Ich suche auch schon eine ganze Weile.«
»Sie wird es nicht schätzen.«
»Wer?«
»Na, die Mutter von deinem Nachhilfeschüler. Wie heißt sie?
Stary, denke ich, Manuela Stary. Die sieht nicht, wie du dich abmühst, glaube
mir.«
Korber ging zum Kühlschrank und holte sich ein Bier. »Das
erste heute«, sagte er, und es klang wie eine Entschuldigung. »Du auch?«
Leopold schüttelte den Kopf. »Ich bin mit dem Rad da.«
»Also gut, es ist für Manuela.« Korber zog hastig
an der Flasche. »Aber frag jetzt bitte ja nicht, wie ich mich von ihr habe
herumkriegen lassen. Sie mag einfach Gedichte gern. Von ihrem Mann scheint sie
nicht viel zu haben. Er ist wenig zu Hause und ihren Schilderungen nach ein
grober, ungehobelter Typ. Sie dagegen ist ein äußerst feinfühliges Wesen, und
mit einem Gedicht kann man ihr eine große Freude machen. Sie liebt den Reim und
den Rhythmus.«
Leopold schüttelte kurz den Kopf: »Da kann ich mir jetzt
schon zusammenreimen, dass sie dich in einen Rhythmus hineinziehen wird, aus
dem du so leicht nicht wieder herauskommst. Die Vernachlässigten sind die
Gefährlichsten. Wenn du mich fragst, lass das mit dem Gedicht bleiben. Gib dem
Buben die paar Stunden Nachhilfe, dann vergiss das Ganze. Außerdem kann ich
mich an den Mann, an Klaus Stary, erinnern. Der ist wahrhaftig kein Freund der
schönen Worte. Ich kenne ihn eher als Mann der mitleidlos ausgeteilten
Watschen. Also pass auf.« Er war während der letzten Worte sehr ernst geworden.
Gleichzeitig sah er, wie viel es seinem Freund bedeutete, Manuela Stary eine
Freude zu bereiten.
»Es ist ja nur für einmal«, seufzte Korber. »Vorausgesetzt,
ich finde etwas Gescheites.«
»Wenn es schon sein muss«, sagte Leopold und hob dabei leicht
den Zeigefinger. »Also, wenn es schon sein muss, nimm ein Nachtgedicht.«
Korber schaute ihn ratlos an.
»Ein Gedicht über die Nacht«, wiederholte Leopold. »Verstehst
du? Erstens ist so was immer romantisch, oft schaurig-schön, und zweitens …«
»Ja?« Korber hing an seinen Lippen.
»Schau doch einmal auf die Uhr, wie spät es ist.«
5
Beide waren sie an diesem Morgen mit einem
seligen Lächeln auf den Lippen aufgewacht: Frau Heller aus Gründen, die sie des
Weiteren für sich zu behalten und einem größeren Publikum nicht unbedingt
mitzuteilen gedachte, und Leopold, weil endlich das heißersehnte Verbrechen
geschehen war. Fröhlich erzählte er seiner Chefin dann auch beim
frühmorgendlichen Tête-à-tête bei der Kaffeemaschine vom Mord an Ehrentraut. Er
vergaß dabei nicht, darauf hinzuweisen, dass er die Wurzel des Übels nach wie
vor in dem Unmut sah, der sich bei der gestrigen
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