Verstoßen: Thriller (German Edition)
ganze Reihe Leute in U-Haft, und darum geht es anscheinend.«
»Wie sicher ist sich Valerie?«
»Der Anwalt, der die Typen vertritt, wird von der Adresse aus bezahlt.«
Maier runzelte die Stirn. »Woher weiß sie das?«
»Über einen Freund von uns – einen Freund von ihr, meine ich. Der hat einen Job in dieser Kanzlei. Er hat sich auf Valeries Seite geschlagen und da ein bisschen herumgeschnüffelt.«
»Was ist das für eine Adresse? In Paris, sagtest du?«
Sven holte einen zerknitterten Zettel aus der Hosentasche und las den Straßennamen ab.
»Wo ist das ungefähr?«
»Keine Ahnung. Aber es ist immerhin ein Anknüpfungspunkt. Nicht wahr?«
»Kann jedenfalls nicht schaden, mal da vorbeizuschauen«, sagte Maier leise. Allmählich kam er wieder in Schwung. Das war sein Gebiet: kleinen Hinweisen nachgehen, Posten beziehen,
Personen beschatten. Wenn man nur lange genug unsichtbar blieb und in der Lage war, eins und eins zusammenzuzählen, ergab sich nach einer Weile ein ziemlich verlässliches Bild. Dann konnte man gezielt handeln.
Aber in diesem Fall war schon das Posten-Beziehen eine Art russisches Roulette. Er hatte keine Ahnung, mit wem er es zu tun bekäme. Er wusste nur eins: Es waren keine netten Jungs. Vor Kindesentführung schreckten sie schon mal nicht zurück. Drogen, hatte Sven gesagt. Dahinter steckten oft komplexe, gut abgeschirmte Organisationen. Wasserdicht. Professionell. Knallhart.
Während Sven noch immer im Halbdunkel des Treppenhauses stand, arbeiteten Maiers graue Zellen auf Hochtouren. Er war daran gewöhnt, alles allein zu erledigen, was der Hauptgrund dafür war, dass er nie eine Vorstrafe bekommen hatte oder gar auf der Todesliste irgendeiner kriminellen Vereinigung gelandet war. Er hatte auch nie den klassischen Fehler begangen, sich seine Waffen bei illegalen Händlern zu besorgen, die später seinen Namen hätten nennen oder sein Äußeres hätten beschreiben können. Keine Helfer, keine Informanten, keine Beziehungen und folglich keine Spuren. Vollständige Autonomie. Davon war er niemals abgewichen.
Aber wenn er diese Sache auf seine eigene Art und Weise regeln wollte, brauchte er mindestens eine Woche, bis er sich eine geeignete Waffe besorgt hätte. Zeit war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte. Schließlich war ein Kind entführt worden. Jeder Tag zählte.
Svens Blicke schienen ihn zu durchbohren. Je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass es tatsächlich zu lange dauern würde. Es musste anders gehen. »Ich brauche Material«, sagte er.
Sven reagierte blitzschnell, als hätte er darauf gewartet. »Was genau?«
Maier schaute zu Boden. Vollends wurde ihm nun bewusst, dass er im Begriff stand, noch einen anderen klassischen Fehler zu begehen: von der eigenen Routine abzuweichen. Warum? Um des Kindes willen? Weil er glaubte, Sven vertrauen zu können?
Letztendlich konnte man niemandem vertrauen.
Er versuchte, das innere Unbehagen so weit wie möglich zu verdrängen. »Das meiste hab ich schon oder kann es mir selbst besorgen«, sagte er schließlich. »Aber nicht alles ist frei verkäuflich. «
Sven begriff sofort, worauf er hinauswollte. »Ich habe eine Beretta und eine …«
Maier schüttelte den Kopf. »Die machen zu viel Lärm. Ich bräuchte was mit Schalldämpfer. Am liebsten Heckler & Koch, .45er Kaliber.«
»Eine HK, da ist schwer dranzukommen. Eine andere .45er könnte ich vielleicht besorgen, mit allem Drum und Dran.«
»Soll mir recht sein. Kannst du dich ein bisschen umsehen, ohne dabei aufzufallen?«
Sven schien kurz zu zweifeln. »Beim Schützenverein gibt es einen Typen, von dem ich denke … na ja, von dem ich im Grunde weiß, dass er Beziehungen hat. Den könnte ich anrufen.«
»Nein«, sagte Maier schnell, »nicht anrufen. Geh bei ihm vorbei. Persönlich. Aber sag ihm, es ist für dich selbst. Nicht für mich oder einen Freund oder sonst wen. Okay? Die Welt ist verdammt klein und erst recht die Welt dieser Typen. Ich kann keine Spur gebrauchen, die hierherführt. Susan hat in der letzten Zeit schon genug mitgemacht.«
»Ich kümmere mich jetzt sofort drum«, sagte Sven und war die Treppe hinuntergelaufen, ehe Maier noch etwas entgegnen konnte.
Als er sich umdrehte, sah er Susan im Flur stehen. Sie hatte ein unförmiges T-Shirt an, und das Haar hing ihr in wirren
Strähnen ums Gesicht. Von dem kurzen Schlaf waren ihre Augen leicht geschwollen.
Er las es in ihren Augen: ein Gemisch von Enttäuschung, Angst und
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