Verstrickung des Herzens
hohen Gras liegen sah. Auf dem blutigen bunten Hemd eines Kriegers lag eine Kette aus silbernen Halbmonden. Blicklos starrten die glasigen dunklen Augen zum Himmel hinauf. Er war nicht von einer Kugel getroffen, sondern mit einem Bajonett aufgeschlitzt worden. Mühsam bekämpfte sie ihre Übelkeit. Als sie ein Stöhnen hörte, drehte sie sich bestürzt um.
Nur wenige Schritte entfernt lag der Gegner des Kriegers, ein weizenblonder junger Bursche von der Miliz, in einer fadenscheinigen Hose, einem schlichten Baumwollhemd und schwarzen Lederstiefeln. Blut quoll aus seiner Schulter. Stöhnend preßte er eine Hand auf die Wunde.
Seine blauen Augen starrten Teela an. »Helfen Sie mir!« flüsterte er. »O Gott, ich sterbe ... In diesem Höllenloch ist ein Engel aufgetaucht ...«
Sie kniete neben ihm nieder, aber Dr. Brandeis stieß sie rasch beiseite. »Eine Kugel, mein Sohn?« fragte er und öffnete seine Ledertasche.
»Ja, Sir.«
»Musketenfeuer?«
»Wahrscheinlich, Sir. Da steckt sie drin.«
Brandeis zerriß das Hemd des Soldaten.
»Kugelzange!« befahl er Teela.
Mit bebenden Fingern wühlte sie in der Tasche und fand das gewünschte Instrument. Dann bat Brandeis um sein Skalpell. Während er die Kugel herausschnitt, hielt Teela die Ränder der Wunde auseinander. Sie fädelte einen Seidenfaden in eine Nadel und tupfte das Blut weg, während der Arzt eine zerfetzte Arterie nähte.
Schließlich wusch sie die Wunde mit Whiskey und biß sich in die Lippen, weil der Soldat gequält aufschrie. Nach einer hastigen Behandlung mit Schwefel legte der Arzt dem jungen Mann einen Verband an. »Mehr kann ich im Augenblick nicht für Sie tun, mein Freund. Kommen Sie, Miss Warren!«
Erst jetzt sah sie die großen Blutflecke auf ihrem Kleid. Doch sie achtete nicht weiter darauf und folgte dem Arzt das Ufer entlang. Überall lagen reglose Gestalten, Seminolen und Weiße. Teela beugte sich über einen Krieger, aber Brandeis erklärte: »Der ist tot.« Trotzdem fühlte sie nach dem Puls, doch sie mußte dem Doktor recht geben.
Zwei Soldaten waren in die Beine getroffen worden, die eine Kugel hatte das Fleisch glatt durchbohrt, die andere saß fest. Einen Schwerverletzten, der einen Bauchschuß erlitten hatte, behandelte Brandeis nur mit Whiskey. »Vermutlich wird er die Fahrt nach Fort Brooke nicht überstehen«, erklärte er Teela leise und hörte, wie ihr Atem stockte. »Aber viele werden überleben. Suchen wir weiter.«
Getreu seinem Wort, half er den verwundeten Indianern ebenso wie den Weißen. Immer wieder erklang sporadisches Gewehrfeuer, dann verstummte es. Das Scharmützel hatte ein Ende gefunden. Zwischen den Bäumen, die zwanzig Meter entfernt vom Ufer wuchsen, lagen weitere Tote und Verletzte.
Teela half dem Doktor, einen jungen Soldaten, der vermutlich sein Bein verlieren würde, eine Aderpresse anzulegen. Trotz seiner Schmerzen zwang sich der Patient zu einem Lächeln. »Wir waren auf Patrouille und versuchten ein paar Indianer zu überraschen, Doktor. Statt dessen überraschten sie uns ...«
Behutsam flößte ihm Teela etwas Whiskey ein, und er verlor die Besinnung.
»Das ist immer noch die beste Medizin«, meinte Brandeis, stand auf und hielt nach dem nächsten Verletzten Ausschau.
Auch Teela erhob sich. Schwer und dumpf hämmerte ihr Herz gegen die Rippen. Sie fühlte sich erschöpft und straffte den schmerzenden Rücken. Plötzlich entdeckte sie einen Seminolen, der im hohen Gras lag, das Gesicht nach unten. Er trug dunkle Breeches, hohe Wildlederstiefel und ein gemustertes Baumwollhemd. In dichten schwarzen Wellen verteilte sich das Haar über seinen blutüberströmten Rücken.
Mühsam unterdrückte sie ein Schluchzen, rannte zu ihm und sank auf die Knie. Sie strich ihm das Haar aus dem Gesicht, dann seufzte sie erleichtert, es war nicht James, aber ebenfalls ein Mischling, mit klassischen Zügen.
Obwohl er schwer verwundet war, atmete er noch. In seinem Hals pochte ein Puls. Teela drehte sich um und wollte nach Dr. Brandeis rufen. Doch der Name erstarb auf ihren Lippen. James kam auf sie zu, in dunklen Breeches und einem grüngemusterten Hemd, das mit der Erde und den Bäumen zu verschmelzen schien.
Hoch aufgerichtet blieb er vor ihr stehen und schaute sie an, mit unergründlichen Augen. Dann kauerte er sich neben den verwundeten Krieger.
»Dr. Brandeis ist sehr tüchtig«, versicherte sie und fuhr nervös mit der Zunge über ihre Lippen. »Und er behandelt die Seminolen ebenso gut wie die Weißen
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