Verstrickung des Herzens
den wichtigsten Vorzügen der weißen Soldaten. Wenn Osceola in diesem Krieg auch die Position des Befehlshabers einnahm — seine Krieger konnten jederzeit heimkehren oder aussichtslose Kämpfe auf eigene Faust ausfechten.
»Allmählich läßt du dich von deiner Schwäche übermannen!« knurrte Otter.
»Ich werde vernünftiger, und ich suche jene Kämpfe, die ich gewinnen kann. Denn ich strebe den Sieg an, kein Gemetzel.«
Wieder schlug sich Otter auf die Brust. »Und ich suche den Tod der weißen Männer!«
»Vergiß nicht — wir versuchen unser Leben zu erhalten, unser Land, die Zukunft unserer Kinder zu retten.«
»All das will man uns verwehren.«
»Wir werden darum ringen, bis es uns gehört. Otter, du bist ein tapferer Krieger, und wir stehen in deiner Schuld. Bedenk doch, daß wir alle denselben Krieg führen!«
Entschlossen straffte Otter die Schultern »O ja, daran denke ich. Aber immer mehr weiße Soldaten versammeln sich im Fort. Sie fahnden nach mir. Und nach Osceola. Vorher werde ich sie finden. Und Warrens Skalp soll mir gehören. Jeden einzelnen, der die Festung verläßt, werde ich töten.« Dann neigte er den Kopf, respektvoll trotz seiner stolzen Worte, und verschwand zwischen den Kiefern.
Osceola wandte sich wieder zu den Flammen. O ja, er hatte gekämpft. Zornig und grausam und skrupellos. Und er würde wieder kämpfen. Aber in dieser Nacht fror er ...
In der Nähe des Feuers, an einen moosbewachsenen Eichenstamm gelehnt, schlief der alte Riley Marshall, ein ehemaliger Sklave, der ins südliche Florida geflohen war. Nun diente er den Seminolen als Krieger, und sie beschützten ihn. Osceola rüttelte ihn wach. »Geh zu Running Bear und frag ihn, ob er zu mir kommen würde.«
»Er ist weggeritten, um das Fort zu beobachten.«
»Vorhin kam er zurück und brachte einen Hirschen mit.«
Riley eilte davon, und wenig später tauchte James McKenzie aus der Finsternis auf. »Nun, Osceola? Du hast mich gerufen?«
Forschend musterte der Häuptling seinen Blutsbruder, der ein gemustertes Baumwollhemd und enge Breeches trug. An seiner Halskette hing ein silberner Halbmond, ein schmuckloses rotes Band hielt das schwarze Haar aus der Stirn. Das bronzebraune Gesicht war ausdruckslos. Nur in den Tiefen seiner blauen Augen schien ein unstillbares Feuer zu brennen.
»Heute abend hast du viele hungrige Mäuler mit deinem schönen Hirschen gefüttert. In diesen Wäldern wird es immer schwieriger, auf die Jagd zu gehen.«
Running Bear hob die Brauen und lächelte belustigt. »Auch Osceola ist ein ausgezeichneter Jäger. Und er hat mich wohl kaum zu sich bestellt, um meine Beute zu preisen.«
»Wie ich höre, wohnt Colonel Warrens Tochter im Fort Deliverance.«
»Ja«, bestätigte James tonlos.
Nun amüsierte sich Osceola. »Mein Freund, wenn du glaubst, in dieser Wildnis würden sich keine Gerüchte verbreiten, irrst du dich. Ob du die Frau entführt hast oder ob sie freiwillig in deine einsame Hütte gekommen ist, weiß niemand. Aber daß du sie sehr gut kennst, steht wohl eindeutig fest. Aus diesem Grund wollte ich mit dir sprechen. Hast du sie im Fort gesehen?«
»Mit eigenen Augen. Ich schlich mit Wildcat durchs Gebüsch, und wir beobachteten die Soldaten.«
»Dort leben viele Frauen und Männer, die ich nicht töten möchte. Ich habe meinen Leuten befohlen, Warrens Tochter hierherzubringen, falls sie festgenommen wird. Eins mußt du allerdings bedenken — in den Adern vieler Krieger fließt hitziges Blut. Sie haben ihre Familien verloren, ihre Kinder verbluten sehen.«
»Das weiß ich.«
»Vor allem mußt du Otter im Auge behalten. Der hat geschworen, jeden Soldaten anzugreifen, der das Fort Deliverance verläßt.«
»Oh, vor Otter wurde ich bereits gewarnt. Am besten rede ich selber mit ihm. Jetzt gleich.«
Running Bear ging davon.
Unbehaglich schaute Osceola ihm nach und fragte sich, ob sein Freund einen klugen Entschluß gefaßt hatte. Einen Kampf in den eigenen Reihen konnten sie wahrlich nicht gebrauchen. Aber wenn sie ihrer Lebensart, ihrer Ehre und ihren Grundsätzen nicht treu bleiben wollten — wofür kämpften sie dann so wild und entschlossen?
James wußte, wo Otter zu finden war.
Soeben hatte sich der Mikasuki-mico in seinem provisorischen Quartier auf der Decke ausgestreckt. Die Semino-len stellten niemals Wachtposten auf, nicht einmal nach Einbruch der Dunkelheit. Vergeblich hatte James die Häuptlinge vor den nächtlichen Angriffen der weißen Soldaten gewarnt. So
Weitere Kostenlose Bücher