Verteidigung
Anwälte der Klägerin Gelegenheit bekommen, selbst zu beweisen, dass sie nicht das Geringste in der Hand haben. Die Beklagtenpartei wünscht sich Igor geradezu im Zeugenstand, weil er ihrer Sache förderlich ist!
Das reichte. David klappte den Laptop zu und holte sich einen Kaffee. Er duschte und zog sich leise an, gab Helen einen Abschiedskuss, sah kurz nach Emma und ging. Als er in die Preston Avenue bog, brannte bei Finley & Figg Licht. Es war 5.45 Uhr, und offenbar war Wally bereits bei der Arbeit. Gut, dachte David, vielleicht war dem Juniorpartner eine neue Theorie eingefallen, die sie Nadine Karros und Harry Seawright auftischen konnten, um sich nicht ganz so übel zu blamieren. Aber Wallys Auto stand nicht hinter dem Haus. Die Hintertür war nicht abgeschlossen, die Eingangstür auch nicht. AJ lief nervös im Erdgeschoss herum. Wally war nicht in seinem Büro und auch sonst nirgends zu finden. David schloss die Türen und ging, gefolgt von AJ, nach oben in sein Büro. Keine Nachricht auf dem Schreibüsch, keine E-Mail. Er riefWally auf dem Handy an und landete direkt bei der Mailbox. Merkwürdig – doch Wally änderte seine Gewohnheiten ständig. Allerdings hatten weder er noch Oscar je vergessen, abzuschließen oder das Licht auszuschalten.
David versuchte, Unterlagen durchzusehen, konnte sich aber nicht konzentrieren. Seine Nerven waren wegen der Verhandlung ohnehin aufs Äußerste angespannt, und jetzt wurde er das nagende Gefühl nicht los, dass noch etwas im Argen lag. Er ging nach unten und sah sich in Wallys Büro um. Der Papierkorb neben dem halbhohen Schrank war leer. Obwohl er sich mies dabei fühlte, öffnete er verschiedene Schubladen, fand jedoch nichts von Interesse. In der Küche stand neben dem schmalen Kühlschrank ein großer runder Abfalleimer für Kaffeesatz, Essensverpackungen und leere Dosen oder Flaschen. David holte den weißen Müllbeutel heraus, öffnete ihn und fand, was er befürchtet hatte. An der Seite lag auf einem Joghurtbecher eine Halbliterflasche Smirnoff. David nahm sie heraus, spülte sie im Abwaschbecken aus, während er sich selbst die Hände wusch, und nahm sie mit nach oben, wo er sie auf seinen Schreibtisch stellte und lange anstarrte.
Wally hatte offenbar in der Mittagspause ein paar Bier gezischt, dann nachts im Büro die Wodkaflasche geleert und schließlich beschlossen zu gehen. Offenbar war er betrunken gewesen, sonst hätte er das Licht ausgeschaltet und die Türen abgeschlossen.
Sie hatten sich für sieben Uhr zu Kaffee und einer Arbeitsbesprechung verabredet. Um 7.15 Uhr machte sich David echte Sorgen. Er rief Rochelle an und fragte, ob sie etwas von Wally gehört habe.
»Nein, ist was passiert?«, fragte sie, als müsste man bei Wally ständig damit rechnen.
»Ich suche ihn nur, das ist alles. Sie kommen doch um acht, oder?«
»Bin schon auf dem Sprung. Ich sehe kurz bei Mr. Finley vorbei, dann komme ich ins Büro.«
David hätte Oscar gern angerufen, brachte es aber nicht über sich. Es war erst sechs Tage her, dass er einen dreifachen Bypass bekommen hatte, da wollte er ihn nicht beunruhigen. Er ging auf und ab, futterte AJ und versuchte es noch einmal auf Wallys Handy. Nichts.
Rochelle traf pünktlich um acht ein und berichtete, Oscar gehe es gut, aber er habe Wally auch nicht gesehen. »Er ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen.«
David zog die leere Halbliterflasche aus der hinteren Hosentasche. »Die war im Müll in der Küche. Wally hat sich gestern Nacht hier besoffen, die Türen nicht abgeschlossen, und das Licht hat er auch brennen lassen.«
Rochelle sah die Flasche an und hätte am liebsten geheult. Sie hatte Wally in seinem Kampf immer wieder zur Seite gestanden und ihn während des Entzugs moralisch unterstützt. Sie hatte ihm die Hand gehalten, für ihn gebetet, um ihn geweint und sich mit ihm gefreut, wenn er stolz die Tage zählte, die er schon nüchtern war. Ein Jahr, zwei Wochen und zwei Tage – und jetzt hielten sie eine leere Flasche in der Hand.
»Der Druck war wohl zu viel für ihn«, sagte David.
»Wenn er einen Rückfall hat, dann aber richtig. Und es wird von Mal zu Mal schlimmer.«
David stellte die Flasche auf den Tisch. »Aber er war doch so stolz darauf, trocken zu sein. Ich kann das gar nicht glauben.«
Vor allem konnte er nicht glauben, dass von dem Dream-Team (beziehungsweise den drei Hampelmännern) nur noch einer übrig war. Und obwohl seine Partner bedauerlich wenig Erfahrung als Prozessanwälte
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