Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)
Münster. «Männer müssen im schlimmsten Fall Alimente zahlen.»
Dabei waren die Männer in den Achtzigern schon mal weiter. Der Schweizer Beat Schegg und sein linker Männerclub wollten 1984 zeigen, dass Verhütung nicht allein Frauensache sein sollte. Die Linksrevolutionäre machten sich vorübergehend unfruchtbar, indem sie ihre Hoden in warmem Wasser badeten. Hohe Temperaturen tun der Entwicklung von Spermien nämlich nicht gut. Ab 35 Grad sinkt die Spermienproduktion in den Hoden ab.
Schegg und seine Kollegen konstruierten sich Stühle mit eingelassenen Wannen, in denen sie mit Tauchsiedern Wasser auf exakt 45 Grad Celsius erwärmten und darin ihre Hoden badeten. Auf dieser – spöttisch auch Eierkocher genannten – Konstruktion mussten die tapferen Hodenbader drei Wochen lang täglich eineinhalb Stunden aushalten.
Eine anstrengende und heikle Prozedur: «Die Haut an Penis und Oberschenkeln musste man schützen, die wäre sonst verbrannt», sagte Schegg 2007 dem Schweizer Blatt
20
Minuten
. Die gezielte Erhitzung erreichten sie mit einer Spezialunterhose und Gewichten an den Hoden, die bewirkten, dass sie nicht obenauf schwammen. Es war ein demonstrativer Akt: gegen das Patriarchat, gegen die Unterdrückung der Frau, gegen die Spermatogenese.
Das Resultat: Die Spermienzahl sank für sechs Wochen praktisch gen null. Das jedenfalls behauptet Schegg, der seine Spermiendichte ständig überprüfte. Ob Hodenbaden aber wirklich zielführend ist, ist wissenschaftlich umstritten. Spätere Versuche in den USA hätten laut Eberhard Nieschlag ergeben, dass bei dieser Methode die Spermienzahl nicht ausreichend sinkt.
Dennoch: Es war ein Anfang, der zeigt, dass wir Männer leidensfähig sind. Wenn wir nur wollen.
Warum gibt es noch keine Pille für den Mann?
Das hat mehrere Gründe. Zunächst: Es könnte sie eigentlich schon geben: 2011 zeigte ein Kombipräparat aus Gestagen und Testosteron in einer weltweit durchgeführten Studie der WHO gute Wirksamkeit, die Spermienzahl sank laut Auskunft von Eberhard Nieschlag, dem ehemaligen Direktor des Instituts für Reproduktionsmedizin der Universität Münster, unter den kritischen Bereich. Dennoch wurde die Studie abgebrochen – wegen Nebenwirkungen, in erster Linie Depressionen. Allerdings klagten auch viele Männer über Stimmungsschwankungen, die nur ein Scheinmedikament erhalten hatten. Genaue Zahlen über das Ausmaß der Nebenwirkungen fehlen bis heute, kritisiert Nieschlag. Zumal vor Studienbeginn keine einheitlichen Standards definiert wurden. So könnte eine Stimmungsveränderung in Indien anders bewertet worden sein als hierzulande.
Des Weiteren gibt es handfeste finanzielle Interessen, die einer Männerpille entgegenlaufen. «Die Gynäkologen fürchten schlicht Konkurrenz», sagt Nieschlag. «Und die Urologen wiederum haben Angst, dass die lukrativen Vasektomien durch die Pille für den Mann ins Hintertreffen geraten könnten.» Das ist nicht aus der Luft gegriffen. In Japan haben Gynäkologen jahrzehntelang die Einführung der Pille für die Frau verhindert, weil sie mit Abtreibungen viel besser verdient haben als mit Pillenverschreibungen.
Aber es ist vor allem die Pharmaindustrie, die die Entwicklung der Männerpille nicht wirklich vorantreibt. Der Grund: «Die Pille für die Frau ist immer noch ein Blockbuster. Weshalb sich selbst Konkurrenz machen?», sagt Nieschlag. Zudem haben die Konzerne mit den teils drastischen Nebenwirkungen der Frauenpille schon genug Ärger, weswegen die Bereitschaft gering ist, sich mit der Männerpille auf ein neues Wagnis einzulassen.
KOPFPROBLEM
Wie die Psyche uns beeinflusst
Es sollte niemand leichtfertig behaupten, er sei normal – denn wer ist das schon? Der eine kontrolliert x-mal, ob der Herd wirklich ausgeschaltet ist, der andere ist süchtig nach Nutella oder Nasenspray, wieder ein anderer ist überzeugt davon, vom Telefonieren mit dem Handy einen Hirntumor zu bekommen. Liebeskummer kann einen genauso krank machen wie eine schwierige Beziehung oder der Tod einer nahestehenden Person, zu viel Arbeit genauso wie zu wenig. Aktuell werden 12 , 5 Prozent aller betrieblichen Fehltage durch psychische Erkrankungen verursacht, doppelt so viele wie im Jahr 2000 . Der Grund ist nicht eine Zunahme der Erkrankungen. Zum Glück sind psychische Störungen heute weniger tabuisiert, und die Menschen bekennen sich eher dazu – sogar Fußballprofis und -trainer. Ja, auch Männer können psychische Probleme haben.
Bei den
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