Vertraglich Verpflichtet (Daniel & Juliet - eine Liebesgeschichte, Teil 1) (German Edition)
dem Aufzug zu gelangen, dabei berührte ich kurz seinen Ellbogen und zog meine Hand sofort zurück. Wieder war mir, als habe ich einen elektrischen Schlag bekommen. Diesmal schien auch er es gespürt zu haben, trotzdem rührte er sich nicht vom Fleck.
»Bitte lassen Sie mich jetzt aussteigen.«
Er bewegte sich keinen Zentimeter und die Türen des Aufzugs begannen schon, sich wieder zu schließen. In diesem Moment öffnete sich eine Wohnungstür und Mr. Burton trat hinaus in den Hausflur. »Miss Walles, da sind Sie ja endlich!«
Noch nie war ich so dankbar, meinen Bodyguard aus Kindertagen zu sehen. Er hatte sich kaum verändert, auch wenn er nun mehr weiße als blonde Haare hatte. Doch seine Figur und Haltung war noch immer Respekt einflößend, nur einem Blinden konnte entgehen, dass Mr. Burton eine militärische Ausbildung genossen hatte und sich in bester körperlicher Verfassung befand.
Der Fremde gab den Ausgang des Aufzuges sofort frei und ich trat schnell in den Hausflur. Die Türen glitten auf und wieder zu, dann war der Aufzug mitsamt des unheimlichen Mitfahrers verschwunden.
Die nächsten beiden Tage verbrachte ich praktisch nur im Theater, denn unsere Proben dauerten von elf Uhr vormittags bis spät in die Nacht. Nun erst verstand ich, was für ein Perfektionist Rob Robson eigentlich war. Er ließ uns sämtliche Szenen tausendfach wiederholen und fand jedes Mal wieder etwas daran auszusetzen.
Zwischen den Tanzproben mussten Kostüme angepasst, das Bühnenbild aufgestellt und der Musikverlauf und die Beleuchtung verändert werden. Ich beobachtete die beiden Regieassistenten und unseren Inspizienten, sie saßen zusammen stundenlang vertieft in irgendwelche Zeitabläufe. Eigentlich konnte man sich angesichts unserer Proben gar nicht vorstellen, dass wir schon am Samstag ein vollständiges Stück auf die Bühne bringen sollten.
Abends fehlte dann allen die nötige Energie, um einen Pub zu besuchen, denn die Proben endeten oft erst nach Mitternacht. In der Theaterkantine saßen wir für ein paar Minuten zusammen und versuchten abzuschalten. Keiner hatte mehr Lust auf hochtrabende Diskussionen, doch ich genoss das Gefühl, endlich wieder so etwas wie eine feste Basis zu haben und nicht ständig von Ort zu Ort zu ziehen.
Während ich Stunden bei den Proben verbrachte, erkundete Mr. Burton mit dem alten Toyota die Innenstadt, Vororte und Umgebung von Boston. Im Zeitalter von GPS hielt ich das zwar für sinnlos, ließ Mr. Burton aber gern davonfahren. Wer wusste schon, wann uns sein Wissen einmal weiterhelfen würde.
Meinen gutaussehenden Nachbarn traf ich nicht mehr. Nach den beiden peinlichen Begegnungen im Fahrstuhl war ich froh darüber, obwohl ich ihn fast ein wenig vermisste. Ich achtete nun peinlich genau darauf, stets bestmöglich gekleidet, geschminkt und frisiert in den Fahrstuhl zu steigen, nur für den Fall, dass er dort auftauchte. Die Erinnerung an seine Stimme, seinen Geruch und die dreisten Bemerkungen ließen mich innerlich erschaudern. Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, ob sich unsere letzte Begegnung überhaupt so abgespielt hatte. Vielleicht hatte mir meine Fantasie nur einen Streich gespielt?
Samstag, 12. Mai 2012
Am Samstagabend sollte dann endlich die Premiere von Zubeida stattfinden und trotz jahrelanger Bühnenerfahrung war ich immer noch genauso aufgeregt, wie bei meinem allerersten Auftritt. So viel war noch zu erledigen, bevor wir loslegen konnten. Kostümprobe, Lichtprobe, Orchesterprobe, dazu natürlich Schminken, Warmmachen und Einsingen.
So trat ich schon am frühen Nachmittag aus meiner Wohnung und wartete zusammen mit Mr. Burton auf den Aufzug. Mein Leibwächter trug seinen nagelneuen Smoking, als begeisterter Opern- und Theaterfan hatte er eine der begehrten Premierenkarten erhalten. Trotz der frühen Uhrzeit bestand er darauf, mich von Anfang an zu begleiten, war sogar erfreut, selbst einen kurzen Blick hinter die Kulissen werfen zu dürfen.
Als der Aufzug in meiner Etage hielt, war er ziemlich voll und wir fanden nur mit Mühe Platz. Plötzlich hörte ich eine vertraute Stimme an meinem Ohr. »Juliet, wie schön Sie endlich wiederzusehen.«
Ich blickte mich um und sah meinen Nachbarn direkt hinter mir stehen. Er war wie immer elegant gekleidet, vermutlich war er auf dem Weg zu einem geschäftlichen Termin. Sein Aftershave roch genauso gut, wie ich es in Erinnerung hatte. Wieder überkam mich kurzzeitig der Drang, mich einfach an seine Brust zu
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