Vertraue mir (German Edition)
erzählt, und wie man an Elizabeth Kostner sah, war das wohl auch besser gewesen. Aber manchmal zerriss es ihn innerlich, weil er darüber reden musste, mit einem Menschen, der kein Psychiater war. So einer hatte ihn schon von aller Schuld freigesprochen. Nein, jemand, der etwas für ihn empfand, ihn wirklich verstand. Und er hatte erstmals das Gefühl, einen Menschen gefunden zu haben, dem er sein Geheimnis anvertrauen konnte. Sollte Maura sich von ihm abwenden oder alles ausplaudern, wäre er sowieso am Ende, dann wollte er nicht nochmals alles durchmachen müssen! Er entschloss sich, sie ins Vertrauen zu ziehen.
Maura sah es ihm an. Sein Gesichtsausdruck war immer noch gequält, aber entschlossen. Sie merkte, wie sich ihre Muskeln anspannten und in ihrem Bauch machte sich ein unbehagliches Gefühl breit. Was meinte er nur damit, was würde sie nun hören?
„Wir waren acht Jahre verheiratet, kannten uns aber schon seit dem College. Sie war immer schon meine große Liebe! Sie war dunkelblond und mittelgroß. Hübsch, aber auf eine unauffällige Art. Sie war ein immer fröhlicher Mensch, aber auf eine ruhige Weise. Wir konnten über alles miteinander reden! Sie war Kinderärztin und liebte ihre Arbeit, konnte aber anscheinend selbst keine Kinder bekommen. Meine Eltern waren darüber immer etwas traurig, auch wenn sie es Susan nie haben spüren lassen. Ihre Eltern waren seltsamerweise darüber eher erleichtert, sie fänden es schade, wenn Susan ihre Karriere unterbrechen müsste, meinten sie.
Die Ärzte haben weder bei ihr, noch bei mir einen Grund für diese Kinderlosigkeit gefunden. Und irgendwann hat es dann doch geklappt. Wir waren im siebten Himmel! Bis ungefähr zum vierten Schwangerschaftsmonat, dann stellten die Ärzte auf einem Ultraschallbild eine Unregelmäßigkeit fest. Nach einer Fruchtwasseruntersuchung mit anschließendem Gentest kam dann heraus, dass das Kind aufgrund einer Erbkrankheit behindert sein würde. Dann endlich hatten ihre Eltern den Mut zu sagen, dass diese Krankheit in jeder zweiten Generation der Familie vorkäme und die Schwester ihrer Großmutter daran gelitten habe. Es wäre vermutlich nur eine geringfügige körperliche Behinderung, aber der geistige Schaden sei derart, dass das Kind nie selbständig lebensfähig sein würde. Für uns und natürlich vor allem für Susan brach die Welt zusammen. Sie hat es ihren Eltern nie verziehen, dass sie sie nicht gewarnt haben und ich auch nicht, denn dadurch habe ich meine Frau verloren. Man bot Susan eine Abtreibung nach dem gesetzlich erlaubten Termin an und ließ uns ein paar Tage Zeit darüber nachzudenken. Susan hat fast nichts gesagt und mir ging es genauso. Es war unsere einzige Chance auf ein Kind, denn noch mal würden wir es nicht versuchen. Andererseits dieses Wissen um eine gewaltige Belastung ließ uns verzweifeln! Sie blieb an diesem Abend in der Klinik und ich fuhr nach Hause. Wir hatten vereinbart, beide in Ruhe darüber nachzudenken. Ich konnte natürlich keine Sekunde schlafen, saß die ganze Zeit am Fenster und starrte hinaus. Als am Morgen dann langsam die Sonne aufging und die Vögel zu singen begannen, hatte ich mich entschieden. Wir würden das Baby so annehmen, wie es war! Es sollte auch die Sonne sehen und die Vögel singen hören. Ich duschte, zog mich um und fuhr in aller Herrgottsfrühe ins Krankenhaus. Als ich dort ankam, stand eine kleine Gruppe Menschen unter Susans Fenster. Sie lag am Boden, tot. Sie hatte sich keine 10 Minuten vorher aus dem Fenster gestürzt.
Hätte ich nicht geduscht, so lange überlegt – sie wäre noch am Leben! Sie hatte mir einen Brief hinterlassen. Sie war sich sicher, dass ich für eine Abtreibung gewesen wäre! Sie hätte es mit ihrem Berufsethos und mit ihrem Kinderwunsch nicht vereinbaren können, das zu tun. Und sie hätte es aber mir nicht zumuten wollen, dazu liebe sie mich zu sehr! Mein Gott, ich kann es bis heute nicht verstehen! Sie hat mich so gut gekannt. Sie hätte wissen müssen, dass das, was sie getan hat, das Allerschlimmste für mich sein würde! Und doch hat sie es getan. Und alle haben mich angeklagt! Ich habe bis jetzt keinem von dem Baby erzählt. Unsere Eltern haben auch geschwiegen. Meine Mutter war oft in Versuchung mich zu verteidigen, aber es hätte doch nichts geholfen. Und das mit dem Baby in der Zeitung zu sehen hätte ich nicht überstanden! Sie haben mich in der Luft zerrissen. Laut einem anonymen Brief hätten Susan und ich oft gestritten und ich
Weitere Kostenlose Bücher