Verzehrende Leidenschaft
Moiras Annahme, dass sie von diesem Mann nichts zu befürchten hatten, zu bestätigen schien.
»Iain«, sagte Tavig und nickte dem Älteren kurz zu. »Ich fürchte, deine Tochter hat sich in eine Sache verwickelt, aus der sie nicht mehr so leicht herauskommt.«
»Ich weiß. Sie ist tot. Als ich euch nacheilte, sah ich sie an einem Baum auf dem Dorfplatz baumeln.«
»Das tut mir leid.«
»Das braucht es nicht. Sie wollte, dass man deine Frau umbringt. Natürlich werde ich um sie trauern, sie war mein Fleisch und Blut, aber einen Großteil ihres Lebens hat sie damit zugebracht, auf eben das Ende zuzusteuern, das sie jetzt ereilt hat.«
»Woher wusstest du, wo du mich treffen würdest?«
»Eigentlich wollte ich dich bei Robert treffen, aber dann habe ich gesehen, dass du Vorkehrungen zur Flucht ergriffen hast. Ich war mir sicher, dass du nicht in dieselbe Richtung fliehen würdest, aus der du ins Dorf gekommen bist, deshalb bin ich hierhergeeilt. Ich musste dich unbedingt noch einmal sprechen.«
»Aber warum denn?«
»Um dir das hier zu geben.« Iain streckte ihm das Bündel entgegen und drückte es ihm in die Arme. Tavig runzelte nur die Stirn.
Moira hätte gar nicht Tavigs entgeisterten Blick bemerken müssen, um zu erraten, was in dem Bündel steckte. Eine kleine Stimme in ihrem Kopf sagte ihr zwar, dass es besser wäre, nichts weiter darüber zu erfahren, aber als Tavig das Bündel ein wenig öffnete, trat sie doch näher. Obwohl im schwachen Licht des Mondes kaum etwas auszumachen war, musste sie einen Schrei unterdrücken: Sie blickte in das Gesicht eines Kindes, und es war nicht zu verkennen, dass Tavig der Vater war. Jeanne hatte von Tavig ein Kind bekommen.
»Das kann doch gar nicht …«, stammelte Tavig bestürzt.
»O doch, das kann es, und das ist es. Es ist dein Sohn, den ich dir hiermit überreiche.«
»Iain, bitte fasse das nicht als Beleidigung auf, und ich will auch nicht schlecht von den Toten reden, aber Jeanne …«
»… war eine Hure. Ich weiß. Das war sie seit ihrer ersten Blutung.«
»Woher willst du also wissen, dass das Kind von mir ist?«
»Die Augen«, flüsterte Moira.
»Aye«, pflichtete Iain ihr bei. »Das Mädchen hat ganz recht. Der Kleine hat deine schwarzen Augen, Junge. Als Jeanne ihn zur Welt brachte, konnte ich es kaum erwarten, seine Augen zu sehen. Ich hatte gehofft, dass sie einem der Burschen im Dorf ähnelten, damit ich sie endlich verheiraten könnte. Doch in diesem Dorf lebt keiner mit solchen Augen. Das Kind ist dein Sohn, dein Fleisch und Blut.«
Tavig starrte den Kleinen fassungslos an, und der Kleine hielt seinem Blick stand. Tavig wollte die Verwandtschaft von sich weisen, aber er konnte es nicht. Selbst wenn der Junge nicht seine Augen gehabt hätte, wusste er instinktiv, dass er der Vater war; schon beim ersten Blick auf das Gesicht des Kindes war er sich dessen sicher gewesen. Er sah Moira an, doch sie weigerte sich, seinen Blick zu erwidern. Er verfluchte sein Schicksal, das ihm ausgerechnet jetzt ein Kind beschert hatte, auch wenn er bereits in diesem Moment von unglaublichem Stolz erfüllt war neben einer Reihe anderer wirrer und höchst widersprüchlicher Gefühle.
»Iain, ich bin zu Fuß unterwegs und habe noch mindestens eine Woche vor mir. Ich kann das Kind nicht mitnehmen. Er ist auch dein Fleisch und Blut.«
»Ich weiß, und ich werde den kleinen Burschen sehr vermissen. Er ist ein gutes Kind, ruhig und stark. Aber ich kann ihn nicht behalten. Ich habe acht Kinder, eine Frau und die Familie ihrer verwitweten Schwester, die ich durchfüttern muss. Wie du weißt, bin ich ein armer Tagelöhner. Und vergiss nicht – meine Jeanne war seine Mutter. Wenn er hier aufwächst, wird er teuer dafür bezahlen müssen, sobald er groß ist.«
»Wie alt ist er denn?«
»Acht Monate, fast neun.«
»Und wie heißt er?«
»Er hat noch keinen Namen. Jeanne war von dem verrückten Gedanken besessen, du würdest sie heiraten, sobald du erfahren hättest, dass sie dir einen Sohn geschenkt hat. Deshalb wollte sie es dir überlassen, einen Namen für ihn zu finden. Ich habe ihr gesagt, dass du den Kleinen vielleicht zu dir nehmen, sie aber bestimmt nicht heiraten würdest.« Er zuckte die Schultern. »Sie wollte mir nicht glauben. Ich hätte nichts dagegen, von Zeit zu Zeit zu hören, wie es dem Kleinen geht.«
»Das wirst du erfahren. Ich schwöre es dir.«
Iain überreichte Moira den Strick mit der Ziege. »Das Kind gedeiht mit Ziegenmilch sehr gut. Die
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