Viel Trubel um Sam
sie wickelte sich fester in ihren Mantel ein. Sie überlegte, ob sie den Motor anmachen und die Heizung laufen lassen sollte, aber sie hatte sich gerade ein Buch mit dem Titel
Wie man alles über jeden herausfindet
gekauft. Der Autor erklärte immerzu, dass man sich so unauffällig wie möglich benehmen müsse, und das wiederum hieß, dass man den Motor
nicht
laufen lassen durfte.
Sie warf einen Blick auf die Uhr. Über vierzig Minuten waren vergangen, seit ihre Schicht zu Ende war.
Joe Dawson erschien und verschwand. Noch immer war nichts von Sam zu sehen. Gerade als sie aufgeben wollte, trat Sam durch eine Seitentür und eilte auf eine rote Corvette zu. Er zögerte einen Moment, warf einen prüfenden Blick nach links und nach rechts und zog dann etwas aus seiner Tasche.
Was machte er da?
Edie nahm das Fernglas vom Rücksitz und blickte hindurch.
Er hatte einen Metallbügel und fuhr mit ihm am Autofenster entlang.
Ihr Herz raste wie verrückt.
Nein! Nein! Es konnte doch nicht sein, dass er die rote Corvette stehlen wollte. Doch nicht direkt vor ihren Augen!
Aber offensichtlich war genau das der Fall.
Er brauchte keine Minute, dann war die Tür offen, er schaute sich noch einmal schnell um, kletterte hinein und beugte sich tief hinunter.
Sie sah sich oft Krimis im Fernsehen an. Und deswegen wusste sie auch, dass er dabei war, das Auto kurzzuschließen.
“Schämen Sie sich, Sam Stevenson”, schimpfte sie leise los. “Haben Sie denn gar nichts dazugelernt?”
Offenbar nicht.
Die Corvette sprang röhrend an, ein Schwall Abgase kam aus dem Auspuff. Sam fuhr los.
Oh! Er war dabei, zu verschwinden.
Schnell warf Edie das Fernglas auf den Sitz neben sich, ließ den Motor an und folgte Sam.
Warten Sie doch, Sam! Ich werde Ihnen helfen!
Sie drückte aufs Gas, raste an einem Wagen mit erschrockenen Nonnen vorbei, wechselte auf die andere Fahrbahn und fädelte sich zwei Autos hinter Sam ein. Mit siebzig Meilen pro Stunde rasten sie durch eine 25-Meilen-Zone.
So schnell zu fahren machte Edie mächtig nervös. Normalerweise hielt sie sich an die Gesetze des Landes. Sie fuhr nie zu schnell, warf keinen Abfall auf die Straße und vor allem klaute sie keine Autos.
Doch wenn Sie zur Rettung Sams ein paar Verkehrssünden begehen musste, dann war das eben nicht zu ändern.
Sam nahm die Ausfahrt Jameson Heights und hielt in der Auffahrt eines Hauses aus den fünfziger Jahren mit grünen Fensterläden und Vorhängen. Edie parkte etwa drei Häuser entfernt.
Was wollte er hier? Wessen Haus war das? Sie fürchtete sich vor den Antworten. Sie wollte nicht noch mehr schlimme Dinge über diesen rätselhaften Mann herausfinden.
Er stieg aus, lief die Treppen hinauf, holte einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Tür und ging ins Haus.
Wohnte er etwa hier?
Hm.
Hatte er das Auto nur gestohlen, um nach Hause zu fahren?
Edie runzelte die Stirn. Fast war sie ein wenig enttäuscht. Aber was hatte sie denn erwartet? Dass er das Auto zu einem Hehler bringen würde? Oder an die mexikanische Grenze? Oder dass er Joe Dawson treffen würde, um ihm das Auto zu übergeben?
Ja, ja und ja.
Vielleicht hielt er nur kurz, um etwas zu holen, und würde in ein paar Minuten wieder aus dem Haus kommen.
Lichter gingen an. Edie blickte durch ihr Fernglas. Aus dieser Entfernung konnte sie nicht sonderlich viel erkennen.
Ein Schatten erschien am Fenster.
Sam.
Er hatte sein Hemd ausgezogen.
Seine nackte Brust glänzte in dem gedämpften Licht. Es sah so aus, als wollte er unter die Dusche gehen.
Edie holte tief Luft, verschluckte sich, hustete, keuchte. Selbst aus dieser Distanz war dieser Mann in der Lage, ihr die Sauerstoffzufuhr abzuklemmen.
Entschlossen wandte sie den Blick von seinem nackten Oberkörper ab. Während sie so dasaß und darüber nachdachte, was sie als Nächstes tun sollte, schaute sie zufällig in den Rückspiegel. Ein Streifenwagen rollte langsam auf sie zu.
Wieder begann ihr Herz zu hämmern.
Keine Panik. Keine vorschnellen Urteile, beschwor sie sich; in ihren Handflächen hatte sich bereits genug Schweiß gesammelt, um einen Putzeimer zu füllen.
Instinktiv wusste sie, was geschehen war. Jemand hatte die rote Corvette als gestohlen gemeldet. Oder jemand hatte Sam dabei beobachtet, wie er sie auf dem Parkplatz geklaut hatte.
Die Polizei war ihm auf den Fersen.
Der Wagen näherte sich gemächlich und fuhr an ihr vorbei. Der Fahrer, ein Denzel-Washington-Doppelgänger, hatte seinen Blick auf Sams Haus
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