Viel zu lange her
trumpfte Tessa auf. „Ich werde nicht eifersüchtig, obwohl du offenbar weiterhin sehr gut über sie informiert bist.”
„Nein? Dann frage ich mich, wieso das so ist”, erwiderte er gelassen.
Sie merkte, dass diese Unterhaltung in die falsche Richtung lief. „Worauf willst du jetzt wieder hinaus, Paul?”
„Ach, ich weiß es nicht.” Er seufzte. „Es ist nur so, dass du seit dem Auftauchen dieses Kerls …
also, du hast dich verändert.”
Es hatte keinen Sinn, diese Tatsache zu bestreiten. „Ich gebe zu, dass es ein Schock war, Isaac wieder zu sehen. Zuerst hat es mich buchstäblich umgeworfen. Damit hatte ich nicht gerechnet, und ich wollte es auch nicht.”
„Wieso nicht?”
„Wir … wir haben uns nicht freundschaftlich getrennt. Wir hatten zuletzt einen schrecklichen Streit.”
„Ist er noch immer scharf auf dich? Er belästigt dich doch nicht? Falls ja, werde ich …”
„Um Himmels willen, Paul, natürlich nicht! Wie kommst du bloß darauf?”
Seufzend deutete er auf den Anhänger an ihrer Halskette. „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hat es mit dieser tränenrührigen Geschichte zu tun, dass er dieses wertvolle Gold aufgehoben hat.”
„Ich habe niemanden weinen gesehen”, wehrte Tessa mühsam lachend ab.
Dafür war ihr jetzt nach Weinen zumute. In den vergangenen zwei Tagen hatte sie die Träume von neun Jahren begraben. Isaac war nicht ihretwegen zurückgekommen. Er hatte ihr ein Geschenk gemacht, das sie an ihrem Hochzeitstag tragen sollte. Das konnte nur bedeuten, dass er ihre Heirat mit Paul wünschte.
„Ich glaube nicht, dass er das Gold für mich aufgehoben hat”, erklärte sie. „Er behielt es wie andere Leute ihren ersten Lohnstreifen. Als er von der Hochzeit hörte, kam ihm erst die Idee.” Erst als sie es aussprach, wurde ihr klar, dass es bestimmt so gewesen war.
Paul war ihre Zukunft. Als wollte sie das beweisen, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen”, flüsterte sie.
Er zog sie an sich und küsste sie. Zwar bekam sie kein Herzklopfen, aber sie fühlte sich besser.
Wenn Paul sie nur zurückhaltend küsste, lag es wohl daran, dass sie auf der Straße standen und von den Nachbarn gesehen werden konnten.
Nach einer halbstündigen höflichen Unterhaltung mit Mr. und Mrs. Hammond kehrte Tessa heim. Ihre Familie schlief offenbar schon. Im Haus war es dunkel. Nur einige wenige Tischlampen brannten, damit sie den Weg fand. Als sie jedoch zu ihrem Schlafzimmer ging, fiel Licht aus Isaacs Zimmer. Er hatte die Tür nicht ganz geschlossen.
Sie blieb auf dem dunklen Korridor stehen, tastete nach dem herzförmigen Anhänger und ließ die Finger darüber gleiten. Er fühlte sich herrlich an und bot einen wundervollen Anblick.
Wie Isaac.
Er verdeckte kurz das Licht. Offenbar bewegte er sich im Raum. Dann öffnete sich plötzlich die Tür, und Isaac stand vor ihr. Er trug nur eine Jeans.
„Wolltest du mich?”
„Dich?” fragte sie lahm und konnte nur daran denken, wie sehr sie diesen Mann wollte.
„Wolltest du mich sprechen?” verbesserte er sich.
„Ich … ja. Ich wollte mich für das schöne Geschenk bedanken. Das habe ich noch nicht getan, glaube ich. Es ist sehr, sehr schön.”
Sie konnte den Blick nicht von seinen breiten, sonnengebräunten Schultern wenden, von dem dunklen Haar auf der muskulösen Brust, den starken Armen, der schmalen Taille. Erst dann merkte sie, dass er etwas in der Hand hielt - ein Buch.
„Ich habe auf einem Regal dieses alte Tagebuch gefunden, in das wir früher geschrieben haben.” Er streckte es ihr entgegen. „Ich wollte es mir gerade ansehen. Interessiert es dich?”
Sie schluckte, weil ihre Kehle so trocken war. Und sie strich mit der Zungenspitze über die Lippen, die Paul so zurückhaltend geküsst hatte. Wie hypnotisiert stand sie da und dachte sich etliche höfliche Ausreden aus - und verwarf sie.
„Ja … ja, sehr gern.”
Erst als sie das Zimmer betrat, fragte sie sich, ob er das geplant hatte. Unsinn. Natürlich hatte er nicht auf ihre Rückkehr gewartet. Wie kam sie bloß darauf? Sie setzte sich auf den Stuhl neben seinem Bett und schlug die Beine übereinander.
„Paul ist mit dir wieder zufrieden?” fragte Isaac. „Hast du ihn auf deine Weise genug getröstet, um sein angeschlagenes Selbstbewusstsein wiederherzustellen?”
Isaac war doch wohl nicht eifersüchtig! „Ich bin nicht hier, um über Paul zu sprechen.”
„Natürlich
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