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Vielleicht Verliebt

Vielleicht Verliebt

Titel: Vielleicht Verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Loebner
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als hätte der Blitz eingeschlagen.
    »Das gibt es doch wohl nicht.« Tristan legt seine Karten ab. Er flüstert so leise, dass man es kaum hören kann. »So einen Riesenzufall kann es doch gar nicht geben! Elisas Vogel hat Für Elise drauf?!«
    »Ist doch Hollys Vogel«, flüstert Juni.
    »Jetzt seid doch endlich mal still!« Holly schlägt das Herz bis in den Hals. »Ich kenn das Lied irgendwoher.«
    »Das kennt jeder«, flüstert Joram.
    Holly schüttelt den Kopf. Sie kennt es nicht so, wie man Allerweltsstücke kennt. Es ist nicht ihr Ohr, das sich an die Melodie erinnert. Nicht ihr Kopf. Sie erinnert sich mit dem ganzen Körper. Die Gänsehaut ist wieder da. Die aus dem Garten.
    B-O verstummt.
    »Noch mal«, flüstert Elisa. »Bitte!« Sie hat den Zipfel von etwas krass Wichtigem zu fassen bekommen, so viel weiß sie. Es darf ihr nicht entwischen! Wenn sie die Melodie jetzt noch mal hört, kann sie sich ihre Erinnerung vielleicht noch ein winziges Stückchen näher ranziehen.
    Aber B-O bleibt still.
    »Noch mal«, flüstert Elisa wieder.
    »Elisa, Kleines«, fängt Opa Eins an.
    »Nein! Sei still!« Sie fühlt Tränen in ihren Augen aufsteigen wie Kohlensäure in einer Sprudelflasche. Gleich reißt der Faden ab! Sie braucht das Lied! Jetzt sofort!
    »B-O«, murmelt Elisa und kneift die Augen zu. »Bitte noch mal.«
    Und plötzlich ist die Melodie zurück. Aber es ist nicht B-O, der sie flötet. Es ist Joram, der sich ans Klavier gesetzt hat.
    Düdeldüdeldüdeldüdeldüüü.
    Eine neue Gänsehautwelle. Noch stärker diesmal. Elisa hält ganz still, als könnte jede Bewegung den Erinnerungszipfel in ihrer Hand wegflutschen lassen.
    Düdeldüüü, düdeldüüü.
    Düdeldüdeldüdeldüdeldüüü düdeldü di düdeldüü.
    Dann spielt Joram auf einmal etwas anderes.
    »Was machst du?«, ruft Elisa aufgebracht und reißt die Augen auf.
    Joram bricht ab. »Ich spiele Für Elise .«
    »Das ist es aber nicht.«
    »Doch.« Er spielt wieder das Falsche.
    »Nein!«
    »Elisa!« Oma Eins ist aufgestanden.
    »Nein!«
    Düdeldüdeldüdeldüdeldüüü.
    Das ist es!
    »Noch mal«, flüstert Elisa.
    »Das ist aber nur der Anfang, es geht dann noch …«
    »Noch mal!!!«
    Joram spielt es noch mal.
    Gänsehaut.
    Aber immer noch keine Erinnerung.
    »Noch mal!«
    Düdeldüdeldüdeldüdeldüüü.
    »Noch mal!«
    »Oh, bitte aufhören!« Ein heiseres Schluchzen.
    Elisa wirbelt herum. Oma Eins weint! Opa Eins steht auf und nimmt sie in den Arm. Auch Eva ist aufgestanden, kommt um den Tisch herum und drückt Elisa fest an sich.
    »Du kennst das Stück von Papa Paul«, sagt sie sanft.
    Elisa macht sich aus der Umarmung los und sieht Eva fassungslos an. Eva weiß, woran sie sich erinnert? Und sie selbst weiß es nicht?!
    »Es war sein Lieblingsstück. Er hatte so eine kleine Spieluhr in einer Pappschachtel. Mit einer winzigen Kurbel, weißt du noch?«
    Elisa schüttelt den Kopf. Sie weiß nichts mehr. Gar nichts.
    »Die Spieluhr hat er an manchen Tagen stundenlang gedreht. Immer wieder die ersten paar Takte von Für Elise . Wir andern sind manchmal geflohen, weil wir es nicht mehr hören konnten. Nur dir hat es nichts ausgemacht. Du hast auf seinem Schoß gesessen, oder neben ihm, und dir geduldig hundert Mal das Gleiche angehört.«
    Warum erinnert Elisa sich nicht daran? Sie fühlt sich plötzlich betrogen, weil sie so viel von der wenigen Zeit, die sie mit Papa Paul hatte, vergessen hat. Es ist, als hätte sie gerade den verschollenen Umzugskarton wiedergefunden. Sie erinnert sich genau, dass supertolle Sachen da drin waren – und dann macht sie ihn auf und er ist leer.
    »Ich kriege keine Luft mehr«, japst Juni.
    Alle drehen sich zu ihr um. Sie atmet durch den Mund und hat ihre knallroten Augen weit aufgerissen. Mai niest und hustet gleichzeitig. Ihre Augen sehen genauso rot aus wie Junis.
    »Herr im Himmel!«, ruft Oma Eins. »Was ist denn mit den Kindern?!«
    Im Hintergrund hört man geräuschvolles Schnabel-an-der-Stange-Wetzen.
    »B-O«, flüstert Elisa. »Sie sind allergisch gegen B-O.«
    Tristan schnappt sich Juni und zieht ihr die Feder aus dem Zopf, Eva schnappt sich Mai. Sie tragen sie in den Garten, an die frische Luft. Opa Eins holt nasse Waschlappen. Oma Eins zieht ihnen die Klamotten aus.
    Elisa wandert wie in Trance zu B-Os Käfig und setzt sich neben ihn. Durch die große Glasscheibe beguckt sie sich die Hektik im Garten, bis die Tränen in ihren Augen so hoch steigen, dass alles verschwimmt. Als sie ihr die Wangen

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