Vielleicht Verliebt
immer noch nicht, ob er überhaupt jemals wieder mit mir redet.« Er schaut betreten auf B-O. Der sitzt auf seiner Stange, streckt elegant ein Bein nach hinten und breitet seinen aufgefächerten Flügel darüber, als würde er ein todschickes Abendkleid präsentieren.
»Ist vielleicht doch ein Mädchen«, murmelt Elisa. »Komm, lass uns gehen!«
Joram sieht sich um, als wäre inzwischen jemand anders gekommen, mit dem Elisa plötzlich redet. Als er niemanden entdeckt, dreht er sich wieder zu ihr. »Gehen?«, fragt er. »Wohin?«
Elisa seufzt. So viel zum Thema Röntgenblick. »Zu Max, natürlich. Wohin denn sonst?«
I ch hab ja gesagt, er ist wieder nicht da.« Joram wendet sich zum Gehen.
»Vielleicht ist nur die Klingel kaputt?« Elisa drückt ihren Zeigefinger noch einmal auf den kleinen schwarzen Knopf und lässt ihn drauf.
Joram zieht ihr den Arm weg. »Du hörst doch, dass es klingelt!«
Ja, das hört sie. Die Wände des grauen Bungalows scheinen nicht die dicksten zu sein.
Elisa lauscht. Aber jetzt, wo das Schrillen der Klingel verstummt ist, dringt kein Geräusch mehr zu ihnen vor die Tür durch.
»Wir könnten ja mal hintenrum ums Haus gehen und …«
»Nein!« Joram zieht Elisa am Ärmel. »Das machen wir auf keinen Fall! Komm jetzt.«
Elisa windet sich aus seinem Griff. »Nun warte doch mal!« Sie versucht, durch den winzigen Spalt zwischen den beiden schweren Vorhanghälften zu linsen, mit denen das Fenster zur Straße zugezogen ist. Nach oben wird er ein bisschen breiter, aber Elisa sieht auch auf Zehenspitzen nichts. In der Bude ist es stockdunkel.
Joram nimmt ihre Hand in seine und zieht Elisa weg.
»Holly«, beschwört er sie. »Bitte, komm!«
Und da merkt sie es. Wie festgetackert bleibt sie stehen, so abrupt, dass ihre Hand aus Jorams rausflutscht.
Düdeldüdeldüdeldüdeldüüü , düdelt es in ihrem Kopf.
»Ich bin nicht mehr Holly.«
Joram schnappt sich erneut ihre Hand. »Wer auch immer du bist, ich will jetzt sofort hier abhauen. Und du kommst mit!«
***
Ist Elisa jetzt wieder Elisa?
Sieht so aus.
Es muss passiert sein, als B-O ›Für Elise‹ geflötet hat.
Oder als Joram es gespielt hat.
Bloß warum ist es passiert?
Vielleicht war ›Holly‹ doch falsch für sie.
Aber der Name hat doch perfekt zu Elisa gepasst.
Vielleicht ist das wegen Papa Paul?
Vielleicht verliert sie auch noch den letzten Rest von ihm, wenn sie ihren Namen ändert?
Aber ihr sind als Holly doch so tolle Papa-Paul-Geschichten eingefallen.
Na eben! Das waren doch nur Geschichten.
»Schon gut!«, ruft Elisa. »Ich hab’s kapiert.«
Joram zuckt zusammen und bleibt stehen. »Was?«
Sie sind fast vor seinem Haus angekommen. Elisa kramt in ihren Hosentaschen. »Hör zu, ich hatte gerade so was Ähnliches wie ’ne wichtige Erkenntnis.« Unzufrieden beäugt sie das zerknitterte Kaugummipapierchen, das sie gefunden hat. »Hast du vielleicht dein Notizbuch und einen Stift dabei?«
Joram runzelt verwundert die Stirn und klopft dann auf seine Tasche.
»Perfekt«, sagt Elisa. »Darf ich kurz was aufschreiben?«
»Äh. Was denn?«, fragt Joram zögerlich. Seine Ohren laufen rot an, dann nuschelt er: »Eigentlich schreib da nur ich rein.«
»Aber ich brauch irgendeinen Zettel. Unbedingt.«
»Ich hab dein Namensnotizbuch dabei. Geht das auch?«
»Das ist sogar noch viel besser!« Elisa stopft das Kaugummipapierchen wieder in ihre Hosentasche, während Joram das kleine grüne Notizbuch rauskramt und es Elisa reicht, zusammen mit einem Stift. Bis jetzt ist nur die allererste Seite vollgeschrieben: Ronja , Mira , Rebecca , steht da. Tiffany ist wieder durchgestrichen. Liv . Alles in Jorams ordentlicher schräger Namens-Notizbuch-Verwalter-Handschrift. Elisas Sauklaue kann immer keiner lesen. Aber diesmal wird sie sich extra Mühe geben. Es ist ohnehin nicht viel, was sie aufzuschreiben hat.
HOLLY
malt sie in großen Buchstaben auf die letzte Seite. Dann reißt sie das Blatt raus und löst auch noch vorsichtig die erste Seite mit den alten Ersatznamen aus dem Buch. Jetzt ist es wieder wie neu.
Den einen Zettel zerreißt Elisa in winzige Schnipsel, den mit ›Holly‹ faltet sie und hält ihn Joram hin. »Gibst du das deiner Mutter? Es ist doch ihr Lieblingsname, und ich kann ihn nicht behalten.«
»Warum nicht?«, fragt Joram.
Elisa sieht ihm in die Augen. »Ich glaube, dass ich mich nie mehr richtig an Papa Paul erinnern kann, wenn ich den Namen verändere, den er für mich ausgesucht hat.«
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