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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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nicht überstanden hatte,
war nicht Emmis Schuld gewesen. Zumindest aus Michael war jedoch tatsächlich
ein Musiker geworden, wenn auch einer, von dem niemand wusste.
    ~
    In die Kirche Santa Maria dei Gesuiti, deren raffinierten
Mix aus Marmorintarsien und Kulissenmalerei Michael seinen Freunden auch noch
zeigen wollte, ging Wagner mit, weil sie keinen Eintritt kostete.
    Danach setzten sie sich in ein Lokal an der Bootsanlegestelle
Fondamenta Nuove, um etwas zu essen. Wieder tummelten sich Spatzen auf dem
Tisch, und wieder blieb Thomas davon unberührt. Er hatte die Speisekarte
aufgeschlagen und fragte Michael: »Isst du auch keinen Fisch?«
    Â»Nein.«
    Â»Weißt du vielleicht trotzdem, ob er hier was taugt?«
    Â»Alles, was ich hier gegessen habe, war gut«, sagte Michael, »der
Fisch wird keine Ausnahme sein.«
    Â»Wer weiß, woher sie den eingeflogen haben«, sagte Wagner und
klappte seine Karte zu.
    Â»Norwegen, Russland, Japan«, sagte Thomas, ohne auf den anklagenden
Subtext einzugehen, der die Reise toter Fische per Flugzeug für pervers
erklärte, »hier geangelt haben sie ihn sicher nicht.«
    Ihre Getränke wurden auf den Tisch gestellt und die Bestellungen
fürs Essen aufgenommen, Sogliole alla griglia für Thomas, Spaghetti vongole für
Bernd, Scallopina al limone für Wagner und Bruschetta und Salat für Michael.
    Â»Auf Emmi«, sagte er, als der Kellner gegangen war und sie nach
ihren Gläsern griffen. Sie tranken schweigend, Bernd und Wagner Bier, Thomas
Weißwein und Michael Averna-Spritz, und schauten dem Bootsmann an der
Anlegestelle zu, wie er routiniert das Seil um den Poller schlang und
verknotete, dann die Metallstange zur Seite schob und die Passagiere vom Boot
komplimentierte.
    Â»Seit wann bist du eigentlich religiös?«, fragte Wagner Michael, als
dieser sich aus der unbequemen Haltung, in der er über seinen Rücken auf das
Boot geschaut hatte, zurückdrehte und wieder nach seinem Glas griff.
    Â»Bin ich gar nicht, wieso?«
    Â»Weil du alle diese Kirchen kennst und so begeistert davon bist.«
    Â»Da geht’s nur um die Schönheit. Der liebe Gott ist mir so wurscht
wie eh und je.«
    Â»Und die Atmosphäre? Das ganze
psychologische Theater? Ich meine, alles an den Kirchen ist dazu
gedacht, religiöse Gefühle zu befördern, stört dich das nicht?«
    Â»Nein, inzwischen habe ich sogar eine gewisse Achtung davor. Nicht
vor der Religion, aber vor den Leuten, denen sie was bedeutet. Manchmal bin ich
sogar gerührt, wenn jemand sich bekreuzigt.«
    Â»Wie bei Kindern im Kasperletheater?«, fragte Bernd.
    Â»So in etwa, ja.«
    Â»Gibt es das überhaupt noch, Kasperletheater?«, fragte Thomas.
    Â»Vermutlich nicht mehr«, sagte Michael, »das müsste man für
Playstation oder iPad neu erfinden.«
    Â»Apropos«, Bernd zog ein iPhone aus der Tasche und wischte darauf
herum, bis er ein Foto aufs Display gezaubert hatte, »iPad, Kinder, das sind
einfach zu viele Assoziationen. Hier schaut mal«, und er reichte das Telefon an
Thomas weiter, der es nach Betrachtung an Michael weitergab, der es an Wagner
weitergab, und erst dieser kommentierte das Bild: »Hübsche Frau. Süße Kinder.«
    Bernd nahm das Telefon zurück und schaltete das Foto wieder weg.
»Habt ihr was zum Angucken?«
    Michael schüttelte den Kopf, Thomas zog einen Blackberry aus der
Jackentasche, tippte darauf herum, bis ein Foto zu sehen war, und reichte ihn
herum. Wagner zog ein echtes Foto aus der Brieftasche und ließ es ebenfalls die
Runde machen.
    Â»Ist das deine Frau?«, fragte Bernd, als er Thomas’ Telefon in der
Hand hielt.
    Â»Meine Tochter.«
    Â»Und deine Frau?«
    Â»Kein Bild. Wir sind geschieden. Ich brauch kein Foto, um daran
erinnert zu werden.« Thomas’ Stimme klang belegt, und er drehte den Kopf zum
Eingang des Restaurants, sein leeres Glas erhoben, um auf sich aufmerksam zu
machen, aber der Kellner war nicht da, und Thomas stellte das Glas
unverrichteter Dinge wieder ab.
    Â»Dein Sohn sieht aus wie du«, sagte Michael zu Wagner.
    Â»Sein Pech«, antwortete Wagner, und es klang nicht wirklich wie ein
Witz, sondern fast triumphierend, als gönne er dem Sohn diesen Makel.
    Â»Seit wann ist Corinna blond?«, fragte Bernd.
    Â»Schon lang, ich kenn sie kaum noch anders.« Wagner steckte das Foto
wieder in die Brieftasche zurück. Er war

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