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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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ein Viereck sein konnte. Wir waren vier Punkte, es kam darauf an, wie man uns verband. Wie, das wusste ich nicht, aber wir waren verbunden.
    Ich reichte Maik das Feuerzeug, seine Hand zitterte. Er hielt den Umschlag schräg und über das Feuerzeug. Es schnappte, die Flamme ging jedoch sofort wieder aus.
    »Mist.«
    Die Nähe zum Wald und die Verbotsschilder waren uns egal, der Boden hier würde nicht brennen.
    Maik versuchte es erneut, aber die Flamme verlosch sofort wieder, obwohl kaum Wind ging. Maik war wohl einfach nur mit dem Daumen abgeglitten.
    Ich leckte den Zeigefinger an, um nach einem möglichen Lüftchen zu spüren.
    Selina hielt ihre Hände schützend über das Feuerzeug. Wind oder nicht, schaden konnte es nicht. Nach kurzem Zögern hielt Lena ebenfalls die Hände um das Feuerzeug, nur ich stand da, den Finger dämlich in die Höhe gereckt. Die Luft rührte sich tatsächlich so gut wie nicht, und was ich spürte, konnte auch Atem sein.
    Diesmal blieb die Flamme. Sofort erfasste sie das Papier und loderte hoch, die Mädchen zogen ihre Hände zurück. Maik drehte den Brief in der Hand, ließ jedoch nicht los. Es musste wehtun, aber sein Gesicht blieb unbewegt. Ich hätte an seiner Stelle auch nicht gewollt, dass nur die Hälfte verbrannte.
    Zischend ließ er das Feuer endlich fallen und langte sich mit den Fingern ans Ohr, als wäre es aus Eis und würde betäuben.
    Das brennende Papier drehte sich in der Luft und fiel langsam zu Boden. Glühend orange und schwarz wellten sich die Ränder und zerfielen zu Asche, die grau zu Boden regnete.
    Der Brief wirbelte auf Lenas Knie zu, und sie floh zwei Schritte zurück. Ich wusste nicht, ob sie Angst vor dem Feuer hatte oder davor, sich mit den vergehenden Worten anzustecken, und das war ein seltsamer Gedanke: Selbstmord als übertragbare Krankheit. Wieder musste ich an die Waffe denken und sah zu Maik.
    Er starrte in die verlöschende Flamme und schüttelte mit vorgerecktem Kinn den Kopf. Nur ganz leicht, doch ich konnte es genau sehen. Die Augen wurden schmal und hart, und im rechten schwamm eine einsame Träne. Bevor sie ausbrechen konnte, blinzelte er sie fort.
    Ich legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Danke«, sagte er, ohne sich von der sterbenden Flamme abzuwenden. Er wollte zusehen, wie jeder Fetzen des Briefs verbrannte, als könnte jedes Wort, das der Vernichtung entkam, ihm noch immer schaden.
    Schweigend warteten wir mit ihm, und ich fragte mich, wie viele Patronen er dabeihatte.
    Hätte er wirklich abgedrückt, wenn ich nicht zufällig genau in dem Moment gekommen wäre? Vor den Zug war er letztlich auch nicht gesprungen. Aber wie oft konnte man auf Brücken steigen, ohne zu springen, sich einen Lauf in den Mund schieben, ohne abzudrücken? Lebte er nur noch, weil ich von der Party geflohen war? Hatte ihm damit die dämliche Party das Leben gerettet und war so tatsächlich zu etwas gut gewesen? Ich hatte keine Lust, Knolle und Ralph dankbar zu sein.
    Als das Feuer endgültig erloschen war, zertrat Maik die letzten glimmenden Reste zu Staub und rieb sie mit der Schuhsohle in den Boden.
    Irgendwo hinter den Bäumen ging die Sonne auf, der Himmel über uns war vollkommen klar. Maik atmete tief durch und lachte. »Wow. Danke.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ich hatte ja nicht vorgehabt, ihn zu retten. Sein Dank machte mich verlegen.
    Auch Selina zuckte mit den Schultern, aber Lena sagte: »Mach das einfach nie wieder. Und damit meine ich nicht das Briefverbrennen. Wir fahren nächste Woche nicht noch mal ans Meer.«
    Verblüfft starrte er sie an. Sie war einen ganzen Kopf kleiner als er und knurrte ihn an, als hätte er sie mit dem Selbstmordversuch beleidigt. Er schüttelte den Kopf: »Wegen mir müsst ihr nicht fahren.«
    »Gut.«
    In dem Moment meinte er das ernst, davon war ich überzeugt, sonst hätte er das gemeinsame Briefverbrennen nicht gemacht. Aber das Wesentliche hatte er ihr nicht versprochen. Die Waffe hatte er nicht daheim gelassen, und das gefiel mir nicht, egal, was er sagte.
    Er gab das Feuerzeug zurück und ging »eine Stange in den Wald stellen.«
    Ich musste ebenfalls, doch da klingelte mein Handy, und das war so unpassend, dass ich im ersten Moment nicht schnallte, dass es meins war. Wir hatten alles hinter uns gelassen, und es passte nicht, dass dieses alles uns hinterhertelefonierte, schon gar nicht um diese Zeit.
    »Mann, Alter, wo steckst du?«, meldete sich Ralph. Er klang hackedicht.
    »Luft schnappen. Hab ich dir

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