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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Der Fahrtwind hatte ihr Parfum fast vollständig verweht, doch ich konnte es noch immer riechen, solange ich das Visier nicht herunterklappte. Ich ließ es offen.

15
    In einem erwachenden Städtchen hielten wir an einem Parkplatz zwischen Sparkasse und Raiffeisenbank. Wie so oft lag alles im Zentrum an der Durchgangsstraße, gegenüber auch eine Bäckerei und die Metzgerei Hund .
    »Hier gibt’s Fleisch vom Hund, lecker«, sagte Maik, als er abstieg.
    »Ist ja auch nicht weit bis Rottweil«, erwiderte ich. Das Straßenschild hatte ich gerade erst gelesen: Rottweil 14 km . Dort herzukommen müsste wegen der zu erwartenden Sprüche ein Fluch sein: Da kommt der Rottweiler , oder: Du siehst gar nicht aus wie ein Rottweiler , oder natürlich: Beißt du? und Bellst du?
    »Großartig.« Maik grinste und hob beide Daumen. »Das klingt nach Freilandhaltung. Also alles Bio.«
    »Liegt hier irgendwo eigentlich auch Bulldogg?«, fragte Lena.
    »Nein, das ist gleich hinter Bernhardin«, sagte ich.
    Maik lachte, und Selina schüttelte den Kopf. »Noch ein Tag mit euch, und ich bin Vegetarier.«
    Es war kurz nach sechs, und nur zwei einsame Autos standen auf dem Parkplatz, die Geschäfte hatten noch geschlossen. Mit der Karte ließ ich mich in die Bank ein und leerte mein Konto bis auf die letzten zwei Euro siebenunddreißig, der Automat rückte keine Münzen heraus. Ich wollte nicht bis hinter der Grenze warten, weil ich nicht wusste, ob ich dort abheben konnte und zu welchen Gebühren. Wir brauchten jeden Cent, der Sprit bis in die Bretagne und zurück würde nicht billig sein, und essen mussten wir auch. Nach mir holte Lena Geld.
    »Wie viel haben wir?«, fragte Maik.
    Wir hatten beschlossen, alles zusammenzuwerfen und nach unserer Rückkehr abzurechnen, wenn Maik und Selina an ihre Konten kamen. Trotzdem steckte jeder sein Geld selbst ein, das war wohl die Gewohnheit.
    »Ich hab fünfundachtzig Euro«, sagte ich. Es klang nach so wenig, und ich fragte mich, warum ich nur so viele Modellräder gekauft und zertrümmert hatte. Was brachte das Christoph jetzt, wenn deswegen seine Asche nicht bis ans Meer gelangte?
    Selina hob eine Augenbraue, in ihrem Blick erkannte ich eine Mischung aus Mitleid und Enttäuschung.
    »An mein Sparbuch komme ich nicht ran«, verteidigte ich mich, obwohl sie mich nicht direkt angegriffen hatte. Zum ersten Mal fühlte ich mich schuldig, nicht viel Geld zu haben. Aber ich war eben nicht der Sparertyp. Ja und? Mein Taschengeld lag genau im Durchschnitt repräsentativer Umfragen, darauf achteten meine Eltern. Zudem bekam ich von ihnen alle neuen Klamotten bezahlt, alles Essen und Trinken, wenn ich mit Freunden in die Stadt fuhr. Und von den Großeltern bekam ich immer was zum Geburtstag, Namenstag, Weihnachten und Ostern, manchmal auch einfach so. Auch wenn mein Konto leer war, wusste ich, dass bald neues Geld kam, minderwertig hatte ich mich deswegen nie gefühlt. Doch jetzt kamen mir die wenigen Scheine in meinem Geldbeutel vor wie ein Versagen. Geld war Anerkennung für geleistete Arbeit, zählbare Form der Zuneigung von Verwandten, Vertrauen der Eltern in die Selbständigkeit ihrer Kinder, und ich hatte kaum etwas davon.
    »Dreihundertfünfzig«, sagte Lena, und ich schämte mich noch mehr.
    Christoph war mein bester Freund gewesen, und ich trug viel weniger bei als Lena, die von ihm nichts gehabt hatte. Vermutlich jedenfalls.
    »Yes!« Maik ballte die Faust.
    »Gut«, sagte Selina knapp.
    Gemeinsame Kasse , dachte ich und drängte mein schlechtes Gewissen beiseite. Selina und Maik hatten gar nichts abgehoben. Wir hatten über fünfhundert Euro und damit genug.
    Mit vollen Taschen überquerten wir die Straße. Der Bäcker öffnete in einer knappen Viertelstunde, durch das Fenster konnte man im Hinterraum Licht brennen sehen. Eine junge Frau mit weißer Schürze brachte frische Semmeln in den Verkaufsraum und schüttete sie in den Korb in der Auslage. Ich glaubte, ihren Duft zu riechen, obwohl es auf der Straße nach den Abgasen der Pendler stank, die an der nächsten Ampel auf Grün warteten. Fußgänger waren nur wenige unterwegs, ein Anzugträger warf uns einen misstrauischen Blick zu und verschwand in der Bank; wahrscheinlich hatte er den Knochenroller gesehen.
    Die junge Frau in der Bäckerei brachte Croissants und Kuchen und schaltete die Kaffeemaschine ein. Ich stierte hinein, aber sie hatte nur ein Kopfschütteln für mich übrig und einen Fingerzeig auf die Uhr. Es wirkte nicht sehr

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