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VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

Titel: VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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entlang wie Venen auf den Bizepsen eines Karnesen.
    »Schon klar«, sagte Tonja, und das Eingesicht hantierte rasend schnell auf seiner Spezialtastatur herum, »wir gehen Richtung Süden.« Was der Geländekugler nun tat, hatte mit Gehen nichts zu tun, führte jedoch in südliche Richtung: Was eben mit Graben und Feststopfen beschäftigt gewesen war, stakte jetzt im Wasser und stützte sich an den Wänden des Tunnels ab. Während Sdevan langsam aus der halbherzigen Trance des Butterdorns auftauchte, stieg das Wasser an, genau so, wie er es vorausgesagt hatte. Tonja verdrängte einen Anfall von Platzangst, weil der Wasserspiegel rasch emporkletterte und den Geländekugler umschloss, dann schaltete die Automatik auf eine andere programmierte Verhaltensweise um und verwandelte ihn in ein U-Boot. Laufwerkzeuge und Stakfüße wurden eingezogen, sicherheitshalber verblieben einige massive Gliedmaßen draußen, um den Geländekugler von Hindernissen abzustoßen. Eine Kapsel, die in den lichtlosen Gängen tief unter Vilms Oberfläche dahintrieb und immer wieder um unvermittelt auftauchende Kurven und Felsen vorbei manövriert werden musste.
    Nach intensiven Butterdorn-Sitzungen hatte Sdevan zusammen mit anderen eine Karte der untervilmschen Ströme entworfen, und wenn Tonja die Anzeigen richtig deutete, folgte der Geländekugler mehr oder weniger dem Plan. Das gab ihnen eine kleine Pause, ehe die Fahrt rasant werden würde. Die hatte Sdevan auch nötig, um sich von den Nachwirkungen des Butterdornsaftes zu erholen. Der Plan enthielt Fragezeichen an der Stelle, an der die kleineren Wasserläufe zusammenflossen; von diesem Punkt an wurde das, was man wusste, zunehmend nebulöser. Am wahrscheinlichsten war, dass eine große Zahl solcher Adern mehr oder weniger parallel in Richtung Süden führte. Das waren die Flusssysteme, die auf Vilm fehlten. Für die ersten Wissenschaftler der Armorica war der vilmsche Wasserhaushalt schlicht unverständlich geblieben – wie konnte eine Welt, auf der es andauernd regnete, ohne Bäche, Flüsse und Ströme, ohne Teiche, Seen und Meere auskommen? Die Antwort war einfach: All das fand unterhalb der Oberfläche statt. Ausgedehnte Tunnelsysteme unterhöhlten den Planeten und übernahmen den Wassertransport von den Polen zum Äquator, wo das monströse Pflanzengewirr in tropischer Wärme dafür sorgte, all die Wassermassen wieder in die Luft zu pumpen. Was in der Theorie einleuchtend klang, blieb im Detail rätselhaft. Tonja hatte mit Joern eine Simulation im Rechner laufen lassen, um die für einen solchen Mechanismus nötigen Wassermengen näher zu bestimmen, und die Ergebnisse waren über alle Maßen phantastisch gewesen. Niemand konnte sich vorstellen, dass unten im Finsteren kilometerbreite Flüsse dahinbrausten.
    »Lass uns das Licht ausmachen«, sagte Sdevan; die Spätfolgen des konzentrierten Extrakts aus Butterdorn waren in ihre letzte Phase getreten. Sdevan-J hatte sich in einer felligen Kugel zusammengerollt. Sdevans Kopfschmerzen verschwanden, als habe jemand den schweren Felsen von seinem Schädel gewälzt, und gleichzeitig tat jeder Lichtstrahl in den Augen weh, eine äußerst unangenehme Überempfindlichkeit. Glücklicherweise würde dieser Zustand nicht lange anhalten. Tonja löschte das Licht im Geländekugler. Die halbintelligente Steuerung brauchte keine Helligkeit für ihre Arbeit; auf mehreren Frequenzen lieferten Ultraschallgeräte exakte Messdaten an den Rechner. Tiefe nachtschwarze Finsternis brach herein. Tonja erschauerte, und sofort drückte sich ihr Eingesicht an sie. Jetzt konnte sie verstehen, was es hieß, sich im Innern des Planeten zu befinden. Selbst dunkle Nächte auf Vilms Oberfläche sind nicht dermaßen schwarz, dachte Tonja. Ihre beiden Körper drückten sich aneinander, als wollten ihre menschliche und ihre vilmsche Hälfte zu einem einzigen vielpfotigen Wesen verschmelzen. »Bei allen Himmeln«, sagte sie, »was für eine Dunkelheit.«
    »Was für eine Dunkelheit?«, entgegnete Sdevan. »Ich fing gerade an, mich zu wundern, wo um alles in der Welt das Licht herkommt.«
    Tonja riss die Augen auf, alle vier, nur: Da war nichts. »Was siehst du? Nachbilder, der Überempfindlichkeit wegen?« Sie spürte, dass Sdevan den Kopf schüttelte.
    »Man kann keine Nachbilder von etwas sehen, das einem vollkommen unbekannt ist«, sagte er. »Oder ich müsste mich sehr irren. Ich kann einen schwachen bläulichen Lichtschimmer ausmachen, der in einem seltsamen Rhythmus

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