Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
besonders üble Krankheit sein«, murmelte Rijo und beobachtete, wie das empfangene Bild zittrig wurde und erste Ausfallerscheinungen zeigte. Dieser spezielle Kevin würde es wohl nicht mehr lange machen, dachte sie.
Ehe er jedoch nach und nach kaputtgehen konnte wie üblich, fegte aus einem schrägen Winkel eine rasche Bewegung heran und traf ihn.
Alle Anzeigen, die diesen Apparat betrafen, erloschen gleichzeitig.
Jojojo grunzte. Diesmal klang es erstaunt.
»Was war denn das?«, fragte Rijo.
Toronlukas schaltete den Scheinwerfer aus und zuckte die Schultern.
»Das Wolkengebirge kann uns immer wieder aufs neue überraschen«, sagte er. »Was tun wir jetzt?«
Rijo konnte es sich nicht verkneifen, diese Frage umgehend dem Fragesteller vorzulegen, der natürlich sorgsam die Alternativen auflistete: Sie konnten weiterfahren und nachsehen, was da los war. Sie konnten zurückfahren und zu Hause berichten. Sie konnten dort anrufen und fragen, was zu tun sei. Toronlukas wäre letzteres natürlich am liebsten gewesen, das konnte Rijo ihm ansehen.
»Daheim anrufen kommt nicht in Frage«, sagte sie sofort. »Also, vorwärts oder zurück?«
Die folgende Stille wurde auf unerwartete Weise beendet.
Jojojo sprang mit allen sechs Beinen auf die Steuerungskonsole, betätigte Schalter und manövrierte den Geländekugler an der bizarren Wand entlang. Toronlukas sah dem dunklen Eingesicht erstarrt zu. Kam da die wilde Südseite zum Vorschein? Erst nach mehreren Dutzend Metern übernahm er wieder die Steuerung.
Jojojo machte den üblichen kleinen Laut der Zustimmung.
Während sich das Fahrzeug an dem seltsam entarteten Gestrolch entlang bewegte, nahmen die Insassen einige Proben und bemerkten, dass die auf und ab schlagenden Wimpern Luft ins Innere der äquatorialen Tierpflanze fächelten. Die Messgeräte zeigten einen steten Wind an, der so erzeugt wurde und ins Gebirge strömte. Dafür waren sicherlich sehr, sehr viele schwarze Klumpen und sehr, sehr viele Wimpern notwendig.
Die Abstände zwischen den dunklen Knoten waren bald so groß geworden, dass der Geländekugler den Kurs auf Süden änderte und direkt hineinfuhr, den unheimlichen Wind im Rücken. Rijo und Jojojo staunten zu den Fenstern hinaus, wo ein drogenverrückter Genetik-Ingenieur seine wildesten Phantasien ausgelebt zu haben schien. Toronlukas achtete darauf, das Fahrzeug nach jedem umgangenen Knoten und jedem umfahrenen schlammigen Hindernis wieder auf jene Linie zurückzubringen, die genau nach Süden führte. So nahm er die großen, warzigen Blätter nicht wahr, die wie braunschwarze Larven herabhingen und sich ständig langsam zusammen- und wieder auseinanderwickelten. Er sah auch nicht die immer größeren Klumpen oder die Schleimspuren, die an Stämmen hinauf- statt hinabführten und auf denen ein grünlicher Brei allmählich emporkroch, als hätte er sehr viele sehr kleine Füßchen.
Er bemerkte allerdings, dass sie sich nun auch nach oben bewegten: Es ging bergan. Hauptsache, er konnte das Fahrzeug immer wieder auf den richtigen Kurs dirigieren.
Jojojo hatte sich – die Arme auf die Konsole gestützt, das Mittelpfoten-Steuerpult fest im Griff – die letzten Augenblicke in den Aufzeichnungen des so plötzlich erledigten Kevins vorgenommen und sah sich wieder und wieder diese letzte halbe Sekunde an, ehe alle Übertragungen abgebrochen waren. Bild für Bild verfolgte sie die Spur dieses rätselhaften Schlages, der wie aus dem Nichts gekommen war.
Rijo warf ihr immer wieder mal einen prüfenden Blick zu, aber die Konzentration schien vollkommen zu sein. Sie selbst wusste nicht, ob die langsam aufsteigende Übelkeit von dem ständigen Geschaukel auf dem schwieriger werdenden Gelände kam oder von den aufgedunsenen, eklige Flüssigkeiten ausschwitzenden Früchten, an denen sie vorbeifuhren und die sie hin und wieder als boshafte Karikaturen bekannter Leckerbissen erkannte.
Was zu Hause als schrumpelige Kaktuspflaume geerntet wurde, nach deren Genuss man in seinen eigenen Körper abtauchen konnte, war hier ein mehr als kopfgroßes, gehirnwindungsähnlich strukturiertes Etwas, an dem Schimmel wucherte. Und sie erkannte auch etwas, das daheim als Butterdorn dazu dienen konnte, die Vorgänge in den Tiefen der Welt näher kennenzulernen. Hier waren die Früchte zwar ganz ähnlich, traten aber in unheimlich wirkenden Bündeln auf. Die sahen aus wie ein erstarrtes Nest giftiger Raupen, die jeden Augenblick beschließen konnten, auf den Betrachter
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