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Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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und Lukas?«
    »In der Art, ja. Aber ich bin ein Auslaufmodell. Ich kann das nicht. Ich hatte niemals die Pseudodiphtherie. Ich bin tot, morgen oder in zwei Tagen. Immerhin habe ich all das hier noch sehen dürfen.«
    Calandra grinste.
    »Das war großartig.«
    Bei der Erinnerung daran schnürte es Harenbergh immer noch die Kehle zu. Als er Francesco kennengelernt hatte, konnten sie einander nicht leiden – und viel später waren sie sie zu den besten Freunden geworden, die man sich vorstellen konnte. Calandra hatte fast eine Woche weitergelebt und jedes Mal sanft gelächelt, wenn die Mediziner ungläubig feststellten, dass die Stunde seines Todes immer noch nicht dagewesen war. Seit Francesco zu atmen aufgehört hatte, war Adrian Harenbergh der älteste Mensch auf dem Planeten.
    Tonja kämpfte mit derselben stillen Verbissenheit um ihr Leben wie damals Calandra. Die Verbindung zwischen ihren beiden Körpern wurde schwächer und wieder stärker, und ihr Verstand flackerte in demselben Rhythmus, verlosch und kehrte zurück.
    Jetzt sah sie Harenbergh plötzlich mit klaren Augen an, und wirkte ganz normal, von einer Sekunde auf die andere.
    »Ich war sehr unvorsichtig, oder?«, sagte sie, ohne zu ihrem anderen Körper hinüberzusehen. Wozu auch. Sie spürte ja die Laken auf ihrem rasierten Leib, die Messgeräte über ihrem langgestreckten Herzmuskel und die Venenkatheter in den Gliedmaßen.
    »Wie man’s nimmt.«
    Harenbergh warf einen Blick auf Tonja-J.
    Der von seinem Fell befreite Leib lag vollkommen still.
    »Wir konnten ja nicht wissen, dass draußen eine toxische Hölle war. Hätte ich was geahnt ... ich hätte die Luke nicht geöffnet.«
    »Man hätte ein paar Sensoren einbauen können«, sagte Tonja. »Wenn man mit so was gerechnet hätte.«
    Harenbergh schüttelte den Kopf.
    »Wie sollten wir an eine derartige Sauerei denken«, sagte er. »Eine zehntausende Tonnen schwere Bohrinsel, die sich zu den Wurzeln des Wolkengebirges hinunterfrisst.«
    Er sah Tonjas verständnislosen Blick.
    »Dieses Riesending haben Toronlukas und Jojojo entdeckt, als Will sie zusammen mit Rijo ins Innere des Riesengestrolchs geschickt hatte«, erklärte der alte Mann geduldig. »Diese ... Fabrik hat sich mit chemischen Kampfstoffen gegen alles gewehrt, was das Gestrolch gegen den Eindringling aufbot. Sogar die Wurbls sind an dem Zeug krepiert. Und in den giftigen Niederschlag dieser gigantischen Sauerei bist du einfach so hineingerannt.«
    Sie legte den Kopf schräg und zwinkerte, sah dem älteren Mann forschend in die Augen. Dann verstand sie es.
    »Das hast du mir alles schon mal erzählt, oder?«
    Tonja zog ihre Hand unter der von Harenbergh hervor.
    »Es klingt ein bisschen auswendig aufgesagt«, sagte sie. »Bin ich wirklich so hinüber, dass du mir ein- und dasselbe immer wieder zu erklären hast?«
    Harenbergh lächelte ohne die geringste Spur von Humor und nickte.
    »Irgendwas mit Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis«, sagte er. »Wir haben ja keine Ahnung, wie das bei euch funktioniert. Ich sage dir das alles jetzt schon zum vierten Mal. Und ich habe dir auch schon viermal berichtet, dass deine Eltern auf dem Weg sind. Sie sind tief unter der Erde bei den Stromsiedlern und brauchen hierher bestimmt eine Woche.«
    »Verstehe.«
    Sie warf dem überhaupt nicht mehr zotteligen Körper im Sauerstoffzelt einen Blick zu.
    »Darfst du mir so etwas überhaupt mitteilen? Ein Metallmonster, das sich durchs Dickicht bohrt? Es vergiftet? Ich könnte ja auch panisch werden oder so. Schreiend rausrennen.«
    Harenberghs Lächeln zerbröselte.
    »Du hast es doch sowieso gleich wieder vergessen.«
    Er wies zur Tür. »Und das mit dem Rausrennen hatten wir schon.«
    Über dem Türgriff glänzte ein Codeschloss; ein seltsamer Anblick auf einer Welt, die sonst nur offene Türen kannte. In diesem Raum, der voll und ganz aus gewachsenem Holz bestand, wirkte es vollends unwirklich. Tonjas Blick ruhte ein paar Sekunden darauf, als denke sie über ihren nächsten Satz nach. Dann bewegten sich ihre Augen in völlig unterschiedlichen Winkeln, ihr Körper sackte schlaff zusammen und ihr Kopf fiel nach hinten.
    Adrian Harenbergh griff über den Tisch und berührte die Halsschlagader der Bewusstlosen.
    Der Puls war wie üblich: kräftig und regelmäßig. Dieser Körper war es nicht, um den er sich Sorgen machte.
    Er sah auf die Uhr. Dieses Mal war Tonja etwa zehn Sekunden länger völlig klar gewesen als bei der vorangegangenen Phase ihrer

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