Viola - Das Tagebuch der Sklavin
hatte. Aber gerade als er gehen wollte, hatte ihn ein Klient angerufen, den er bereits mehrmals in kniffligen Angelegenheiten vertreten hatte.
Er zog die Schuhe aus, hängte sein Sakko über einen Bügel an der Garderobe und betrat in Socken das Wohnzimmer. Nur das Licht der langen blauen Neonröhre, die am Boden hinter den Rollcontainern lag, die Fernseher und Stereoanlage trugen, erhellte das große Zimmer ein wenig und tauchte es in ein kühles, neutrales Licht. Über die großen Lautsprecherboxen war leise klassische Musik zu hören.
Jesper ging zu dem ovalen Tisch der Essecke und machte den Deckenfluter an, der daneben stand. Daphne hatte in halbrunder Anordnung mehrere verschiedenfarbige Teelichter aufgereiht, die einen angenehmen Vanilleduft verbreitet hatten, inzwischen aber heruntergebrannt und ausgegangen waren. Er befühlte das bunte Glas. Es war noch handwarm. Mittendrin lag der Vertrag. Er nahm ihn in die Hand. Außer seiner eigenen vorab daraufgesetzten Unterschrift zierte ihn jetzt auch Daphnes, schwungvoll ausgeführt wie immer.
Bis zuletzt hätte er keine Wette darauf abgeschlossen, ob sie auf seine Idee eingehen würde. Natürlich hatte er darüber nachgedacht, dieses Spiel zunächst ein paar Stunden zu testen. Aber er war bereit, alles auf eine Karte zu setzen. Das war die Methode, mit der er auch als Anwalt erfolgreich war. Alles genau durchdenken, alle Risiken abwägen und ausschließen, dann aber ganz oder gar nicht agieren.
Er lächelte. Wenn sich ihre und seine Wünsche deckten, stand ihnen eine erotische Zeit bevor, in der sie ihre Körper neu entdecken würden. Nicht nur das, er fand den Gedanken äußerst reizvoll, Daphne zu einer ihm in jeglicher Hinsicht ergebenen und gehorsamen Gattin zu «erziehen». Seine unterdrückten Neigungen würden sich frei entfalten. Er durfte nur nicht zu schnell, zu hart vorgehen. Er musste ihr ein wenig Zeit lassen, sich in ihre neue Rolle zu fügen.
Jesper legte den Vertrag zurück auf den Tisch und atmete tief durch. Auf einmal war er nervös. Er musste jetzt hinaufgehen und nachsehen, ob sie auch die Anweisungen befolgt hatte, die auf dem Beiblatt gestanden hatten. Es würde ihm nicht leichtfallen, die Autorität, die er in seinem Beruf ausstrahlte, plötzlich in sein Privatleben zu übertragen. Es war ein gewaltiger Schritt, die Verhaltensregeln zu ändern, von einer in jeder Hinsicht gleichberechtigten Partnerschaft zu einer vollkommenen Domination zu wechseln, wenngleich nur für eine begrenzte Zeit und nur als Spiel. Spiel. Das war der einzige Punkt, der ihm Kopfzerbrechen bereitete. Würde es ein Spiel bleiben?
Zögernd öffnete er den Umschlag, auf den Daphne in ihrer unverkennbaren, deutlichen Handschrift geschrieben hatte: Für meinen Meister. Er schluckte, als er das zusammengefaltete Papier entnahm und runzelte die Stirn, als er ihre Zeilen las. Das Blatt enthielt nicht die erwartete Information. Daphne hatte ihm Stichworte zu ihren Fantasien und Züchtigungswünschen aufschreiben sollen, aber stattdessen stand dort nur eine Entschuldigung.
«Mein verehrter Meister, ich weiß, dass ich mich hiermit Eurem ersten Befehl widersetze, aber es ist mir nicht möglich, Euch meine geheimsten Gedanken mitzuteilen. Ich bitte Euch hiermit um Verzeihung. Eure Sklavin Daphne.»
Jesper schmunzelte. Entweder hatte sie tatsächlich Schwierigkeiten damit, ihm ihre Sehnsüchte mitzuteilen, oder sie widersetzte sich absichtlich, um eine ernsthafte Bestrafung zu provozieren.
Zu Beginn ihrer Beziehung hatte Jesper ein wenig Probleme damit gehabt, Daphne ihre Selbstständigkeit zu lassen. Sein Job erforderte immer den ganzen Einsatz und die Willenskraft, Entscheidungen auch gegen den Widerstand anderer durchzusetzen. Im Laufe der Zeit hatte er jedoch gelernt, in dieser Hinsicht zwischen Kanzlei, Gerichtssaal und seiner Ehe zu trennen. Wenn ihm das einmal nicht gelang, wies Daphne ihn unmissverständlich darauf hin. «Ach, jetzt kommt wieder der Herr Anwalt zum Vorschein!» Ob sie sich das nun auch noch traute, frech zu widersprechen?
Jesper lockerte seine Krawatte, betrat den Flur und ging langsam die Treppe hinauf. Die Schlafzimmertür war nur angelehnt und das Licht am Nachttisch gedimmt. Vor ihrem Bett kniete Daphne auf dem wollweißen, grob geknüpften Teppich, nackt, die Augen mit einem roten Schal verbunden, die Hände auf den Rücken gelegt. Ihre Miene wirkte ein bisschen gequält. Vermutlich wurde ihr die
Weitere Kostenlose Bücher