Violett ist erst der Anfang

schieben.«
    »Ist Silikon.«
    »Mir Latte, Jule. Das muss doch auch ohne gehen. Irgendwie. So ganz normal mit Küssen und Anfassen und …«
    »Ssscht. Keine Panik. Wie wär’s mit … hm. Massageöl? Voll versaut für den Rücken? Haben die bestimmt. Stockwerk tiefer?«
    Sie stiegen die Steinstufen hinab ins Untergeschoss. Nanu? Wirkte beinahe wie in einer Galerie. Im Flurbereich hingen zumindest Bilder an den Wänden, gerahmte Fotos in schwarz-weiß. Jule rückte an ihrer Brille und trat näher. Tja. Was hatte sich der Fotograf bei seinem Werk gedacht? Es war ein Close-up, soviel stand fest, aber von was? Puh, schwer zu sagen. Zu viele Schatten, zu viele Linien, auch irgendwie unscharf. »Süße, ist das Kunst?«
    »Also, äh … das ist … Das geht uns nichts mehr an, Jule«, sagte Ewa schnell und wollte sie weiterziehen.
    »Warum?« Jule stoppte. »Verkaufen die diese Bilder? Hängen da Preise? In meinem Klavierzimmer hätte ich noch eine freie Wand. Das wäre perfekt. Sieht voll hübsch aus.«
    »Hübsch?«, kam im entsetzten Ton zurück. »Hübsch? Nein, definitiv nicht. Ey, und jetzt hör auf, dran rumzufingern.«
    »Oh. Sorry. Hast recht. Gibt Flecken.« Schnell hauchte Jule das Glas an und polierte mit ihrem Ärmel drüber, lächelte. »Schau, alles wieder schick. Hey, stimmt was nicht?«
    »Jule, das ist …« Ewa holte tief Luft. »Paul. Ein Paul, also sein Paul. In echt jetzt.«
    »Was?« Jule verrutschte die Tonlage. »Das-das ist … der … von einem … und ich hab an dem … und ich hätte mir den fast über meinen Flügel …«
    Ewa schien es halb zu zerreißen beim Versuch, ein Lachen zu unterdrücken.
    »Das ist nicht lustig, Bogacz!«
    »Irgendwie schon.« Glucks.
    »Ey, wie hätte ich das checken sollen? Das Ding ist riesig!«
    »Jule, es ist Kunst.« Kichernd ergriff Ewa Jules Hand, führte sie weg von der erotischen Fotografie und dem allzu männlichen Gehänge, weiter in den nächsten Raum. Schock. Willkommen in der dunklen Ecke der Lust. Unmengen an schwarzen Lack-Leder-Latex-Klamotten hingen schimmernd im Raum verteilt. Drapierte Gummimasken starrten sie aus leeren Augen bedrohlich an wie geköpfte Schwerverbrecher. Ein Schauer jagte Jule über den Rücken, allein beim Anblick von blitzenden Skalpellen in Glaskästen, Peitschen und stählernen Fesseln in allerlei Größen.
    »Oh mein Gott«, wisperte Ewa und schluckte schwer. »Das Zeug hier … das ist … grausam.«
    »Korrekt, Süße. Wenn du unartig warst, kriegst du Dresche.«
    »Darauf steh ich so gar nicht.«
    »Danke.« Erleichtert hauchte Jule dem Zwerg ein Küsschen auf die Wange. Lieber Diva als Domina.
    »Hast du geglaubt, ich will dich schlagen oder was?«
    »Zumindest tust du es ständig.«
    »Gar nicht wahr«, protestierte Ewa. »Das war ein einziges Mal. Nur ein läppischer Klaps.«
    »Zweimal, Fräulein. Rüde mit der Faust.«
    »Du hast Polen beleidigt.«
    »Hallo?« Jule verdrehte die Augen. »Hab doch nicht gewusst, wie nett ihr seid. Und nicht bloß ein Volk aus klauenden Putzfrauen und Prostitu… auaha!«, schrie sie auf und rieb sich nach der Bogacz’schen Attacke den Arm.
    Mit erfreuter Miene näherte sich ein hagerer Verkäufer, dem der dunkle Brustpelz gewaltig aus dem T-shirt wucherte. »Kann ich helfen?«, fragte er im warmen Baritonton.
    »Wir kommen klar.« Jule lächelte Grübchen und trat Ewa einmal knackig auf den Fuß, bis auch die jaulte. Jetzt sind wir quitt!
    »Sucht ihr was Spezielles?«
    Jule schluckte. »Wie jetzt?«
    »Hinten hätten wir die Lederpeitschen und die Leinen mit …«
    »Ihr Hund hat schon eine. Danke.«
    Und Abflug. Mit hochroten Köpfen schoben sie ab im Rückwärtsgang und stolperten so prompt in den nächsten Raum. Dessous! Verzückt wühlte Jule los. Halleluja. Das Beste kommt tatsächlich immer zum Schluss. Was für eine Auswahl. Hach, hach, hach. Sie sah auf. »Süße, welche Größe hast du?«
    Ewa verschränkte die Arme. »Kein Kommentar.«
    »Fräulein, ich kann schweigen. Guck mal. Nett, oder?«
    »Roter Latex?« Ewa klang entsetzt.
    »Wäre zu sehr Ton in Ton mit deinen Wangen. Hast recht, Süße.« Eine Runde Weiterstöbern. »Ui, aber wie findest du das?«
    »Die Farbe geht, Spitze auch. Vollkommen okay. Moment. Liegen meine Möpse in dem Ding dann frei?«
    »Quatsch. Du hältst es falsch rum. Die Bändel sind hinten. Zierschnürung. Vorne ist ein Häkchen-Schnellverschluss. Hier, siehst du? Funktioniert wie ein BH. Husch, probier an. Und guck nicht auf den Preis, ich