Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
warum Jim Crocker sich an Tripp hätte rächen wollen? Vielleicht wegen Mr. Flood?«
»Sie waren befreundet und als Kinder immer hier oder bei den Crockers«, antwortete Einstadt. »Mit zehn haben sie das erste Mal zusammen Kaninchen gejagt.«
»Es könnte also durchaus Rache gewesen sein«, sagte Virgil.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jim ihn deshalb umgebracht hat. Er hätte die Angelegenheit den Richtern überlassen«, erklärte Einstadt. »Erst wenn die … nein. Er war einfach nicht so.«
Die Katze schnupperte an Virgils Hosenbein, sprang auf die Armlehne seines Stuhls, schnupperte an seinem Ohr, kletterte seine Schulter hinauf, ließ sich hinter seinem Kopf nieder und begann zu schnurren.
»Na so was«, rief Helen Flood aus.
Virgil kraulte die Katze. »Kannte jemand von Ihnen oder Mr. Flood eine junge Frau namens Kelly Baker, die vor etwa einem Jahr in der Nähe von Estherville ermordet wurde? Sie kam hier aus der Gegend …«
Flood und Einstadt sahen einander an. »Die Bakers gehören derselben Kirche an wie wir«, antwortete Einstadt. »Aber wir kennen sie nicht gut. Natürlich wissen wir, was mit Kelly Baker passiert ist. Das war ja in aller Munde.«
»Glauben Sie, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem, was mit Kelly Baker passiert ist, und der Sache mit Jacob? Dass der Tripp-Junge der Täter war?«, fragte Alma Flood.
Das hatte Virgil auch schon in Betracht gezogen, jedoch nicht weiterverfolgt. Almas Frage brachte ihn auf ein neues Szenario: Was, wenn Tripp und ein paar andere Jungen Kelly Baker missbraucht hatten und Flood das herausgefunden hatte? Was, wenn Tripp sich Crocker anvertraut und Crocker ihn ermordet hatte, weil eine Verbindung zwischen ihm und der Baker-Familie bestand? Und wenn die andere Person, die in den Baker-Mordfall verwickelt war, Crocker umgebracht hatte?
Das ergab keinen Sinn: Crocker war mit einer Frau zusammen gewesen. Hatte es einen Teenager-Sexring mit Frauen gegeben, und bei Kelly Baker war etwas schiefgegangen? Warum hatte Crocker nicht einfach Lee Coakley informiert, statt Tripp umzubringen?
Virgil schüttelte den Kopf: »Nein, das glaube ich nicht. Auch wenn Tripp Kelly Baker kannte.«
»Sie wissen definitiv, dass der Junge Jake umgebracht hat und ein Mädchen kannte, das ermordet wurde. Ich sehe da eine eindeutige Verbindung«, bemerkte Einstadt. »Wie viele Mörder gibt es in diesem County? Ich habe den Tripp-Jungen und einen seiner Freunde in Verdacht.«
Wieder ein anderes Szenario schoss Virgil durch den Kopf: Angenommen, Kelly Baker war lesbisch gewesen, und sie hatten einen Dreier oder Vierer mit der anderen Frau gehabt? Zu weit hergeholt …
»Wir gehen allem nach«, versprach Virgil. »Wie gesagt: Wir glauben, dass Crocker ermordet wurde. Bald werden wir es genau wissen, und wahrscheinlich finden wir DNS vom Mörder.« Die Katze hinter ihm schnurrte wieder, und er kraulte sie noch einmal.
Sie stellten alle möglichen Theorien auf, doch zum Hauptthema – was Jacob Flood geahnt oder gesagt hatte, das zu dem Mord geführt haben könnte – fiel ihnen nichts mehr ein.
»Bevor wir von der Verhaftung dieses Tripp-Jungen erfahren haben, wussten wir nichts von ihm«, erklärte Alma Flood.
Virgil erhob sich. »Könnte sein, dass ich wiederkomme, wenn sich neue Fragen ergeben. Ich kenne mich in dieser Ecke des County nicht aus. Sprechen Sie doch mit Ihren Bekannten hier und fragen Sie sie, ob jemand etwas über eine Verbindung zwischen Deputy Crocker und Kelly Baker weiß. Oder zwischen Crocker und Tripp.«
»Okay«, sagte Einstadt. »Wir sind grade dabei, alles winterfest zu machen – da treffen wir den einen oder anderen.«
Virgil gab ihnen seine Visitenkarte und kraulte ein letztes Mal die Katze. »Danke für Ihre Hilfe.«
Als Virgil weg war, sah Einstadt Alma Flood an. »Weißt du, wer Crocker umgebracht hat?«
»Wahrscheinlich Kathleen.«
»Glaube ich auch«, pflichtete er ihr bei. »Ich informiere Morgan. Wir werden mit ihr reden.« Er stand auf. »Morgen kommt Rooney zu uns.«
»Wir brauchen Rooney nicht.«
»Rooney ist ein guter Mann, und Frauen kann man in einem Haus wie diesem nicht allein lassen. Rooney kümmert sich um euch und die Farm.«
»Der ist so grob«, erwiderte Alma Flood.
»Das kriegst du schon hin.«
»Mir würd’s reichen, wenn er sich mal wäscht«, murmelte Alma Flood.
»Das richte ich ihm aus«, entgegnete Einstadt und sah die Mädchen an, die in einer Ecke standen. »Mädels, geht rauf. Ich komme
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