Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
hatte Louise Gordon beschlossen, nicht ihr eigenes Telefon oder Handy zu benutzen.
Er wartete. Louise blieb etwa zwanzig Minuten in dem Haus, sah sich beim Heraustreten wieder um, stieg in ihren Wagen, wendete und fuhr an ihm vorbei.
Virgil ließ den Motor an, merkte sich das Haus, in dem sie gewesen war, und folgte ihr. Er holte sie erst ein, als sie schon fast daheim war. Nachdem er beobachtet hatte, wie sie den Wagen in ihre Garage fuhr, kehrte er zu dem Haus zurück, das sie aufgesucht hatte, und schrieb Straßennamen und -nummer auf.
Fünfundzwanzig Minuten später erreichte er ein Holiday Inn in New Ulm, in dem er schon mehrmals übernachtet hatte, und rief Davenport privat an.
»Jemand muss einen Anruf für mich nachverfolgen. Er wurde zwischen acht Uhr zwölf und acht Uhr dreißig getätigt … Den Namen habe ich nicht, nur die Adresse.«
Davenport notierte alles und fragte: »Brauchst du die Informationen noch heute? Das könnte schwierig werden.«
»Morgen früh reicht«, antwortete Virgil. »Ich schlafe heute Nacht in New Ulm.«
»Auf der Flucht vor dem Sheriff?«
»Nicht unbedingt …«
»Mach mir nichts vor, ich weiß alles über Lee Coakley«, sagte Davenport. »Vor ein paar Jahren hab ich einige Zeit mit ihr verbracht, in meinen Anfängen beim SKA.«
»Das ist nicht dein Ernst«, stöhnte Virgil.
»Natürlich nicht, du Idiot. Ich kenne die Frau nicht. Morgen früh gebe ich dir die Telefonnummer durch.«
»Hey, Lucas …«
»Ja?«
»Du hast mich drangekriegt.«
Sie mussten beide lachen.
Virgil legte sich ins Bett und dachte über Gott und kleine Mädchen nach, und warum Gott so etwas zuließ. Und kurz dachte er auch an Lee Coakley.
SECHZEHN
Früh am nächsten Morgen fuhr Kathleen Spooner zu Einstadt, der gerade frühstückte. »Sie sagen, sie wollen weiter ermitteln, mich aber im Moment nicht vor Gericht bringen«, teilte sie ihm mit. »Sie haben meine Wohnung auf den Kopf gestellt und den Computer mitgenommen. Zum Glück hatte ich die interessanten Sachen weggebracht und auf dem Computer alles gelöscht. Es wird keine Probleme geben.«
Einstadt arbeitete sich durch einen fünfzehn Zentimeter hohen Stapel Buttermilchpfannkuchen und Speck mit blutrotem Beerensirup. Er kaute mit halboffenem Mund, während er über Kathleens Worte nachdachte, und fragte dann: »Was hat der Typ vom SKA, dieser Flowers, gesagt?«
»Den hab ich nach dem Morgen nicht mehr gesehen.«
»Sein Truck war heute Nacht nicht vor dem Holiday«, erklärte Einstadt.
»Ihr beobachtet ihn? Warum?«
»Meine Jungs überprüfen, wo er sich rumtreibt und mit wem er redet. Er hat am Nachmittag mit Lee Coakley gesprochen, falls es das ist, was sie machen.«
»Sollen sie doch bumsen wie die Karnickel. Sie sind erwachsen. Ist nicht gut, wenn sie merken, dass sie beobachtet werden. Wir sollten uns zurückhalten, Emmett.«
»War das vielleicht zurückhaltend, als du Jim erschossen hast?«, fragte er.
»Wenn ich ihn nicht erschossen hätte, würdest du jetzt vermutlich an einem Baum hängen. Du und die Welt des Geistes, ihr schuldet mir was. Jim war immer schon ein Risiko; er hätte uns alle reingerissen.«
Einstadt bedachte sie mit einem mürrischen Blick. »Wir sind nicht auf den Kopf gefallen, Kathleen. Wir halten uns zurück. Die nächsten Wochen wird es keine Treffen geben.«
»Gut zu wissen. Trotzdem nehme ich mir die Fischl-Brüder vor. Die haben sicher nichts dagegen.«
Einstadt hob einen Finger. »Dieser Flowers bringt alles durcheinander. Junior hat da so eine Idee.«
»Gütiger Himmel«, stöhnte Kathleen Spooner. »Der ist dumm wie Stroh.«
»Er ist ein guter Junge. Hör dir die Idee doch mal an: Was, wenn Flowers bei Loren in einen Hinterhalt geriete?« Einstadt sah sie an. »Was, wenn er von einem seiner Kumpels im Yellow Dog einen Tipp kriegen würde, dass Loren was weiß, hinfährt und dort erschossen wird?«
»Ein inszenierter Überfall? Den ich übernehmen soll?«
»Du hast schließlich Erfahrung. Loren würde behaupten, es wären zwei Biker in einem alten Chevy gewesen, die sich aus dem Staub gemacht haben. Sonst hätte er nichts gesehen.«
Kathleen Spooner legte die Hände um die Tischkante und beugte sich vor. »Diese Coakley hat Flowers dazugeholt. Sie haben mir Fragen gestellt. Zwei andere Bullen, die dabei waren, wussten auch Bescheid. Das ist nicht wie im Film, wo einer den Fall allein aufklärt. Ihr müsstet das ganze Polizeirevier auslöschen. Wenn Flowers was zustößt, haben wir sie alle
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