Virulent
dass sie nur jeweils fünf Schritte weit kam, bevor sie eine vollständige Kehrtwendung machen musste. Das PVC, das ihre Beine umschloss, knirschte beim Gehen. Sie trug immer noch ihren Schutzanzug – wenn auch ohne Helm –, um Zeit zu sparen, wenn sie sich an die Operation machen würde. Dew hatte seinen Schutzanzug bereits ausgezogen. Sie hatte ihn noch nie zuvor in Operationskleidung gesehen.
Clarence kam in den Kontrollraum.
»Hast du Murray erreicht?«, fragte sie. »Ist es okay, wenn wir jetzt weitermachen und das Leben dieser Frau retten?«
Clarence sah zu Dew und dann wieder zu ihr.
»Wo liegt das Problem?«, fragte sie. »Los, Leute, auf geht’s. Die Zeit läuft uns davon.«
Dew sah zu Boden. Clarences Gesicht war vollkommen ausdruckslos.
»Du kannst nicht operieren«, sagte Clarence.
»Was redest du da? Wir haben alles von ihr bekommen, was zu holen war.«
»Nicht alles«, sagte Clarence. »Noch nicht.«
Sie starrte ihn einen Augenblick lang an. Sie fing an zu verstehen, doch etwas in ihr sperrte sich dagegen. Sie wollte nicht glauben, was sie da hörte.
»Du … Clarence, das kann nicht dein Ernst sein. Du bildest dir doch nicht ein, dass wir zulassen werden, dass die Kreaturen aus dieser Frau schlüpfen, oder?«
»Wir haben unsere Befehle«, sagte er.
Clarence hatte gewusst, wie Murrays Antwort lauten würde. Deshalb hatte er darauf bestanden, zu warten und die Operation zu verschieben. Wenn er ihr nicht diesen Schwachsinn erzählt hätte, dass sie erst noch auf eine Entscheidung warten mussten, hätte sie dafür gesorgt, dass Bernadette Smith schon längst auf dem Operationstisch liegen würde.
Natürlich kannte Margaret den Ausdruck rotsehen. Sie verstand ihn theoretisch, aber sie hatte nie wirklich rot gesehen. Bis jetzt. In ihr explodierte eine Wut, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte.
»Wir werden diese Frau nicht sterben lassen!«
Sie trat zwei Schritte nach vorn und rammte ihren Finger in Clarences breite Brust. Natürlich hätte sie auch Dew anschreien können, doch von einem kaltblütigen Killer wie ihm hätte sie eine solche Antwort ohnehin erwartet. Aber von Clarence? Einem Mann, mit dem sie geschlafen hatte? »Diese Frau hat einen zehn Jahre alten Sohn, der gerade seinen Vater und seine beiden Schwestern verloren hat. Ich kann Bernadette retten, das weiß ich. Wir werden sie operieren, und zwar sofort, ihr verkommenen Bastarde. Hast du mich verstanden? Sofort.«
Clarence schüttelte den Kopf. »Das können wir nicht, Margaret.«
»Für dich Doktor Montoya, du Arschloch. Doktor. Jemand, der geschworen hat, Leben zu schützen.«
»Wir haben unsere Befehle«, sagte Clarence.
»Befehle von wem? Von diesem schmierigen Bastard Murray Longworth? Von Odgen? Von ihm?« Margaret deutete auf Dew, der immer noch zu Boden starrte. »Scheiße, wer bildet sich ein, mir befehlen zu können, diese Frau sterben zu lassen? «
»Der Präsident«, sagte Clarence leise. »Es kommt von ganz oben. Eine Rechtsverordnung des Präsidenten.«
»Stimmt das? Nun, vielleicht kann er uns ja auch befehlen, dass wir ein paar Juden vergasen, wenn wir schon dabei sind? Wie würde sich das denn machen, wenn es schon um das Befolgen von Befehlen geht? Oder vielleicht kann er ja Dew befehlen, irgendeinen Nigger zu fesseln und ihn auszupeitschen, um ein Exempel zu statuieren?«
Clarence verzog wütend das Gesicht, doch sie kümmerte sich nicht darum. Eigentlich gefiel es ihr sogar. Sie wollte dieses Arschloch zu einer Reaktion zwingen, dieses im Stechschritt marschierende Arschloch. Wie hatte sie sich nur jemals einbilden können, eine so kaltherzige Maschine zu lieben?
»Was denken Sie denn, Dew?«, schrie Margaret. »Glauben Sie etwa, alles sei okay, nur weil man es Ihnen befiehlt?«
»Margaret«, sagte Clarence, »bitte beruhige dich.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich für dich immer noch Doktor Montoya bin. Oder etwa nicht, Agent Otto?«
»Du verstehst nicht. Wir haben – «
Margaret versetzte ihm einen rechten Haken. Sie schlug zu, noch während er sprach. Ihre Faust traf seinen linken Schneidezahn. Sein Kopf zuckte zurück – wegen der Schmerzen, nicht wegen der Wucht ihres Schlages –, und seine Hände schossen hoch zum Mund. Schon zuvor hatte sie die Wut in seinem Gesicht gesehen, doch sein neuer Gesichtsausdruck ging darüber hinaus. Es war Raserei. Sein Blick durchdrang ihre eigene Wut bis zu einem gewissen Grad, und ihr wurde klar, dass sie trotz all ihrer zornigen Energie noch
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