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Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)

Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)

Titel: Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Bulther
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darauf, dass ihre Tochter aufwachte.
Eine Stunde später war Marianne von den regelmäßigen Geräuschen der Meßgeräte eingeschlafen. Den Kopf hatte sie auf die über dem Fußgitter des Bettes verschränkten Arme gestützt und sich seitlich an Krentler geschmiegt, der neben ihr saß. Vorsichtig, um sie nicht aufzuwecken, löste er sich jetzt von ihr. In der Tür stand Ralsmann. Sie schüttelten sich die Hände und stellten sich dann vor die Tür. Durch einen offenen Spalt drang das Piepsen des Geräts zur Herzfrequenzüberwachung.
„Ich will ehrlich sein, Doktor Krentler,“ begann Ralsmann, „auch wenn es mir schwer fällt. Ihre Tochter hat eine lebensbedrohliche Lungenentzündung. Die oberen Teile der Lunge konnten wir durch die Behandlung mit Antibiotika in Pulverform desinfizieren. Aber die tiefer sitzenden Lungenbläschen haben wir damit nicht erreicht. Von dort aus hat sich ein neuer Bakterienstamm über die Lunge verteilt, und wie es aussieht, ist er gegen das zuerst verwendete Antibiotikum resistent. Die Infektion verringert die Sauerstoffzufuhr, deshalb ist Sonjas Kreislauf zusammengebrochen.“
Die letzten Worte waren zu Krentler nicht mehr durchgedrungen. In Gedanken stand er wieder in dem Krankenhauszimmer in Guangdong, sein Hemd naß vom Schweiß, vor ihm die beiden Frauen, Mutter und Tochter. Der Geruch, eine Mischung aus Desinfektion und Dschungel, zog ihm wieder durch die Nase, das Schreien der Mutter klirrte in seinen Ohren.
Als er die Augen wieder aufschlug, merkte er, dass wirklich jemand schrie. Marianne. Verwirrt blickte er durch die offene Tür und sah, wie eine Krankenschwester Marianne vom Bett weg zog. Aus einer anderen Tür drängten plötzlich weitere weißbekleidete Menschen, Ärzte und Schwestern, die sich um das Bett scharten. Mariannes Schreie waren in ein unterdrücktes Schluchzen übergegangen. Der Herzfrequenzmesser gab unregelmäßige Geräusche von sich, die plötzlich in einem langen, gleichmäßigen Sinuston endeten. Krentler wußte, was das bedeutete. Aber er konnte sich nicht rühren. Als wäre das, was hier passierte, nicht wirklich, sondern nur ein Traum. Verschwommen sah er, wie Ralsmann Sonjas Nachthemd auseinander riß und große Mengen Gel auf die schmale Kinderbrust schmierte. Von hinten gab eine der Schwestern ihm die Elektroden zur Wiederbelebung, während ein weiterer Arzt die Sauerstoffmaske über Sonjas Gesicht legte. Wie in Trance ging er zu Marianne. Sie umarmten sich fest. Er hörte die leisen Kommandos des Arztes, das Fiepen der Elektroden, die sich aufluden, den dumpfen Schlag, wenn der Kinderkörper vom Schock getroffen wurde. Nach wenigen Minuten war alles vorbei.
    30
    Es war später Abend, als Li Johansen im Flughafen ihr Gepäck vom Band nahm und zum Ausgang lief. Suchend blickte sie sich um. Ralsmann hatte versprochen, sie abzuholen oder jemanden zu schicken. Aber als sie auf das Spalier der Abholenden vor der Absperrung zu ging, entdeckte sie kein vertrautes Gesicht, und auf keinem der hochgehaltenen Schilder stand ihr Name. Sie wartete. Als die Putzkolonne im Gepäckabhholbereich auftauchte, gab sie auf und verließ die Halle.
Draußen regnete es. Die Lichter der Stadt strahlten von unten gegen die Wolken, die dick und schwer in der Luft hingen. Als sie aus dem geschützten Eingangsbereich trat, um einem Taxi zu winken, schlug ihr ein eisiger Wind ins Gesicht.
Sie hatte fest mit Ralsmann gerechnet und kein Hotel gebucht. Deshalb fragte sie den Fahrer nach einer Empfehlung. Er zögerte kurz, bevor er sie mit schlüpfrigen Augen im Rückspiegel ansah.
„Ich weiß nicht genau, aber du siehst so aus, als sollte ich dich entweder ins China-Viertel oder zu mir nach Hause bringen. Was meinst du, Süße?“
Li Johansen ballte die Faust. Nicht aufregen, sagte sie sich, bitte kein Ärger. Vorsichtig öffnete sie die Tür.
„He, war doch nicht böse gemeint“, sagte der Taxifahrer, während sie schon ausstieg, „komm, ich bring dich in ein schönes, warmes Hotel.“
Li stellte ihren Rucksack auf den Gehweg. Von hinten kam bereits das nächste Taxi. Sie winkte es heran. Als sie gerade ihren Rucksack nehmen wollte, sah sie aus dem Augenwinkel, wie der erste Fahrer im Spiegel mit den Händen ein eindeutiges Zeichen machte. Der andere Fahrer grinste. In ihr kroch die Wut hoch. Sie stellte den Rucksack wieder auf den Boden und richtete sich auf. Ein gezielter Tritt mit ihrem Reisestiefel traf den rechten Außenspiegel. Mit einem trockenen Knacken brach das

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