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Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)

Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)

Titel: Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Bulther
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genau sagen. Einige sprachen von den USA, andere vermuteten zeitgleiche Ereignisse in mehreren Metropolen weltweit. Jeder Neuankömmling wurde fürsorglich von anderen Wartenden informiert. Die Flughafengebäude füllten sich unerbittlich.
    34
    Im obersten Stock des Ministeriums wartete Krentler auf den Fahrstuhl. Draußen war die graue Stadt. Durch das große Fenster am Ende des Ganges konnte er die Leuchtreklamen am Potsdamer Platz sehen, die verwischt blinkten. Es regnete. Als er vor wenigen Tagen am Flughafen angekommen war, hatte er das schlechte Wetter verflucht. Jetzt sehnte er sich nach solchen Sorgen zurück. Die Leuchtreklamen bekamen einen unheilvollen Unterton.
Schickelbach hatte ihn abgeholt. Wie war dieser Kerl einzuordnen? Er war die rechte Hand des Ministers, aber kein Staatssekretär. Cheflogistiker des Krisenmanagements?
Es war schön gewesen, Marianne wiederzusehen. Blöd nur, dass er sich sofort bei ihr angesteckt hatte. Die harmlose Grippe hatte ihn fertig gemacht. Kein Wunder, nach der langen Zeit in den Tropen.
Er betrachtete das matte Spiegelbild, das der Edelstahlrahmen der Aufzugtüren ihm zeigte. Selbst hier konnte er erkennen, dass sein Gesicht von Bartstoppeln geziert war, unter den Augen hatte er noch immer dunkle Ringe. Seit seiner Genesung hatte er nicht viel geschlafen. Sonja war tot.
Während der Krankheit hatte er daran gedacht, dass er selbst sterben könnte. Es war das erste Mal gewesen. In diesem Moment war in ihm ein bisher unbekannter Wille erwacht, zu leben. Er wollte leben. Sein ganzes Wesen hatte sich gegen den anstürmenden Tod gewehrt, verzweifelt. Im Traum hatte er geschrien, hatte den Tod angeschrien, um sein Leben geschrien. Wie die Frau in Guangdong. Nein. Es war nur eine harmlose Grippe gewesen. Eine leichte Lungenentzündung. Es war die Erschöpfung. Die Erschöpfung. Er hatte geschrien. Nachts war der Tod vor ihm gestanden, und er hatte geschrien. Wie die Frau in Guangdong. Verzweifelt. Eine leichte Grippe? Wieso war sein Körper so sehr überrascht worden? Wovon war sein Körper so sehr überrascht worden?
Das Bild der hustenden, schreienden Frau wurde überblendet von dem Bild, wie er selbst hustend und schwindelnd in der S-Bahn saß. Neben ihm der Obdachlose, der ihm ein Taschentuch gab. Ihm freundschaftlich auf den Rücken klopfte. Das Geld von ihm nahm. Sich artig bedankte. Und dann ausstieg.
Krentler öffnete die Augen. Sein Kopf schmerzte, in den Schläfen pochte das Blut. Ein Bild aus dem Virologielehrbuch, das er während seines Studiums auswendig gelernt hatte, blendete sich ein. Verschmelzende Zellen. Zwei Virenstämme in einem Wirtskörper. Gene werden ausgetauscht. Rekombination.
Vogelgrippe, Menschengrippe. Guangdong, Berlin. War er selbst zum Superwirt geworden? Die Heftigkeit seiner Krankheit, Sonja. Die Gedankenkette riss ab und mündete in einem dumpfen Schmerz. Nein. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein. Nicht so.
Aber der Wissenschaftler in ihm wusste, dass es möglich war. Er musste diesen Obdachlosen sehen.
Krentler versuchte, sich zu erinnern. Der Obdachlose in der S-Bahn hatte lange, verzottelte Haare gehabt. Der Kopf auf dem Foto, das Meyer während der Sitzung an die Wand projiziert hatte, war frisch rasiert gewesen. Aber das Foto war nach dem Tod aufgenommen worden. Vielleicht hatte man ihn erst im Krankenhaus rasiert, vor der Autopsie.
Das Telefon war noch immer tot. Krentler überlegte. Die Akte musste in der Charité liegen, zusammen mit dem Leichnam. Ungeduldig drückte er auf den Rufknopf für den Aufzug.
Es dauerte einen Moment, bis Krentler bemerkte, dass der Knopf nicht mehr leuchtete. Er wendete den Kopf und sah aus dem Fenster. Die Leuchtreklame leuchtete auch nicht mehr. Sein Blick wanderte nach unten zur Straße. Die Beleuchtung war aus. Er drückte auf den Lichtschalter für den Flur. Nichts tat sich. Krentler warf sich seine Tasche über die Schulter und rannte zum Treppenhaus.
Im Laufschritt durchquerte er das Foyer. Der Frau am Empfang nickte er nur kurz zu. Sie trug einen weißen Mundschutz.
Draußen liefen die Menschen hastig die Gehwege entlang. Viele pressten Taschentücher über Mund und Nase. Liegengebliebene Autos verstopften die Straße. Krentler wandte sich in Richtung Innenstadt und begann zu laufen. Der Regen hatte nachgelassen. Die dunklen Wolken am Himmel waren geblieben.
Eilig drängelte er sich an den Menschen vorbei. Die meisten schreckten bei Berührung zurück und wandten sich ab. Jeder versuchte,

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